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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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die Nacht galoppierte. Er legte sich über den Hals seines Pferdchens.
    »Hoi!« schrie er, »lauf, Artax, hoi! hoi!«
    Dann erschrak er. Es war höchst unvorsichtig, so laut zu schreien. Wenn ihn nun jemand gehört hatte? Er wartete eine Weile und horchte. Aber nur das vielstimmige Geschrei aus dem Schulhof drang zu ihm herauf.
    Ein wenig beschämt kletterte er wieder von dem Turnbock herunter. Wahrhaftig, er benahm sich wie ein kleines Kind!
    Er wickelte das Pausebrot aus und rieb den Apfel an seiner Hose blank. Doch ehe er hineinbiß, hielt er inné.
    »Nein«, sagte er laut zu sich selbst, »ich muß meinen Proviant sorgfältig einteilen. Wer weiß, wie lang ich damit auskommen muß.«
    Schweren Herzens packte er das Brot wieder ein und steckte es zusammen mit dem Apfel in die Mappe zurück. Dann ließ er sich seufzend auf den Turnmatten nieder und griff wieder nach dem Buch.



Caíron, der alte Schwarz-Zentaur, sank, als er den Hufschlag von Atréjus Pferd verhallen hörte, auf sein Lager aus weichen Fellen zurück. Die Anstrengung hatte seine Kräfte erschöpft. Die Frauen, die ihn am nächsten Tag in Atréjus Zelt fanden, bangten um sein Leben. Auch als einige Tage später die Jäger heimkehrten, stand es noch kaum besser um ihn, aber er war immerhin in der Lage, ihnen zu erklären, warum Atréju fortgeritten war und nicht so bald zurückkehren würde. Und da alle den Jungen gern hatten, waren sie von da an ernst und dachten voll Sorge an ihn. Zugleich waren sie aber auch stolz darauf, daß die Kindliche Kaiserin gerade ihn mit der Großen Suche beauftragt hatte - obgleich niemand es ganz verstehen konnte.
    Der alte Caíron kehrte übrigens nie wieder in den Elfenbeinturm zurück. Aber er starb auch nicht und blieb auch nicht bei den Grünhäuten im Gräsernen Meer. Sein Schicksal sollte ihn einen ganz anderen, höchst unvermuteten Weg führen. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
    Atréju ritt noch in derselben Nacht bis zum Fuß der Silberberge. Es war schon gegen Morgen, als er Rast machte. Artax weidete ein wenig und soff Wasser aus einem klaren Gebirgsbach. Atréju wickelte sich in seinen roten Mantel und schlief ein paar Stunden. Doch als die Sonne aufging, waren sie schon wieder unterwegs.
    Am ersten Tag durchquerten sie die Silberberge. Hier war ihnen beiden jeder Weg und jeder Steg bekannt, und sie kamen rasch vorwärts. Als er Hunger bekam, aß der Junge ein Stück getrocknetes Büffelfleisch und zwei kleine Fladen aus Grassamen, die er in einem Sack am Sattel aufbewahrt hatte - eigentlich für seine Jagd.
    »Na also!« sagte Bastian, »ab und zu muß der Mensch einfach was essen.« Er holte das Pausebrot aus der Mappe, packte es aus, brach es sorgfältig in zwei Stücke, wickelte das eine wieder ein und steckte es weg. Das andere aß er auf.
    Die Pause war vorbei, Bastian überlegte, was jetzt in der Klasse drankommen würde. Ah, richtig, Erdkunde bei Frau Karge. Man mußte Flüsse und Nebenflüsse aufzählen, Städte und Einwohnerzahlen, Bodenschätze und Industrien. Bastian zuckte die Achseln und las weiter.
    Bei Sonnenuntergang lagen die Silberberge hinter ihnen, und sie machten wieder Rast. In dieser Nacht träumte Atréju von den Purpurbüffeln. Er sah sie fern durch das Gräserne Meer ziehen und versuchte, ihnen auf seinem Pferd nahe zu kommen. Aber es war vergebens. Sie blieben immer gleich weit von ihm entfernt, so sehr er sein Pferdchen auch antrieb. Am zweiten Tag kamen sie durch das Land der Singenden Bäume. Jeder von ihnen hatte eine andere Gestalt, andere Blätter, eine andere Rinde, aber der Grund, warum man dieses Land so nannte, war, daß man ihr Wachstum hören konnte wie eine sanfte Musik, die von nah und fern erklang und sich zu einem mächtigen Ganzen vereinte, das an Schönheit mit nichts sonst in Phantasien zu vergleichen war. Es galt als nicht ganz ungefährlich, durch diese Gegend zu ziehen, denn manch einer war schon wie verzaubert sitzen geblieben und hatte alles vergessen. Auch Atréju empfand die Macht dieser wunderbaren Klänge, aber er ließ sich nicht verführen, innezuhalten.
    In der darauffolgenden Nacht träumte er wieder von den Purpurbüffeln. Diesmal war er zu Fuß, und sie zogen in einer großen Herde an ihm vorüber. Aber sie waren außerhalb der Reichweite seines Bogens, und als er näher heranpirschen wollte, merkte er, daß seine Füße wie mit dem Erdboden verwachsen waren und sich nicht bewegen ließen. Über der

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