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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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nickten sie einander zu und kamen langsam nahe heran.
    »Erschrick nicht!« sagte der, der auf den Händen ging, und seine Stimme klang wie das Knarren eines Baumes, »unser Anblick ist gewiß nicht gerade schön, aber es gibt in diesem Teil des Haulewaldes niemanden mehr außer uns, der dich warnen könnte. Darum sind wir gekommen.«
    »Warnen?« fragte Atréju, »wovor?«
    »Wir haben von dir gehört«, ächzte der mit der durchlöcherten Brust, »und man hat uns erzählt, weshalb du unterwegs bist. Du darfst hier nicht weiterreiten, sonst bist du verloren.« »Sonst passiert dir das gleiche, was uns passiert ist«, seufzte der Halbierte, »schau uns an! Möchtest du das?«
    »Was ist euch denn passiert?« erkundigte sich Atréju.
    »Die Vernichtung breitet sich aus«, stöhnte der erste, »wächst und wächst und wird jeden Tag mehr - falls man überhaupt von nichts sagen kann, daß es mehr wird. Alle anderen sind rechtzeitig geflohen aus dem Haulewald, aber wir wollten unsere Heimat nicht verlassen. Und da hat es uns im Schlaf überrascht und hat das aus uns gemacht, was du jetzt vor dir siehst.« »Tut es sehr weh?« fragte Atréju.
    »Nein«, antwortete der zweite Borkentroll, der mit dem Loch in der Brust, »man spürt nichts. Es fehlt einem eben nur etwas. Und jeden Tag fehlt einem mehr, wenn man davon einmal befallen ist. Bald werden wir gar nicht mehr vorhanden sein.«
    »Wo ist denn die Stelle im Wald«, wollte Atréju wissen, »wo es angefangen hat?« »Willst du es sehen?« Der dritte Troll, der nur noch halb war, blickte seine Leidensgenossen fragend an. Als die nickten, fuhr er fort:
    »Wir werden dich so weit heranführen, daß du es sehen kannst, aber du mußt versprechen, nicht näher zu gehen. Sonst zieht es dich unwiderstehlich an.«
    »Gut«, sagte Atréju, »ich verspreche es euch.«
    Die drei wandten sich um und bewegten sich auf den Waldrand zu. Atréju nahm Artax am Zügel und folgte ihnen. Eine kleine Weile gingen sie kreuz und quer zwischen den Riesenbäumen umher, dann machten sie vor einem besonders dicken Stamm halt. Sein Umfang wäre wohl von fünf erwachsenen Männern nicht zu umspannen gewesen. »Klettere so hoch du kannst«, sagte der beinlose Troll, »und blicke dann nach Sonnenaufgang. Dort wirst du es sehen - oder vielmehr nicht sehen.«
    Atréju zog sich an den Knorren und Buckeln des Stammes empor. Dann erreichte er die untersten Äste. Er zog sich zu den nächsten hinauf, schwang sich höher und höher, bis er die Sicht nach unten verlor. Er kletterte weiter, der Stamm wurde dünner und die Queräste zahlreicher, so daß er immer leichter vorankam. Als er schließlich in der höchsten Krone saß, wandte er den Blick nach Sonnenaufgang, und nun sah er es:
    Die Kronen der anderen Bäume, die noch ganz in der Nähe standen, waren grün, doch das Laub der Bäume, die dahinter lagen, schien jede Farbe verloren zu haben, es war grau. Und noch ein wenig weiter entfernt schien es auf eine seltsame Art durchsichtig, nebelhaft, oder besser gesagt, einfach immer unwirklicher zu werden. Und dahinter lag nichts mehr, absolut nichts. Es war keine kahle Stelle, keine Dunkelheit, es war auch keine Helle, es war etwas, das den Augen unerträglich war und einem das Gefühl gab, blind geworden zu sein. Denn kein Auge kann es aushalten, ins völlige Nichts zu blicken. Atréju hielt sich die Hand vors Gesicht und wäre beinahe von seinem Ast gestürzt. Er klammerte sich fest und stieg so schnell er konnte wieder abwärts. Er hatte genug gesehen. Nun erst begriff er ganz das Entsetzen, das sich in Phantasien ausgebreitet hatte.
    Als er wieder am Fuße des Riesenbaumes angelangt war, waren die drei Borkentrolle verschwunden. Atréju schwang sich auf sein Pferdchen und jagte in gestrecktem Galopp in die Richtung, die fortführte von diesem langsam, aber unaufhaltsam sich ausbreitenden Nichts. Erst als es schon dunkel wurde und er den Haulewald längst hinter sich gelassen hatte, machte er Rast.
    Und in dieser Nacht wartete das zweite Erlebnis auf ihn, das seiner Großen Suche eine neue Richtung geben sollte.
    Er träumte nämlich - noch viel deutlicher als bisher - von dem großen Purpurbüffel, den er hatte erlegen wollen. Diesmal stand er ihm ohne Pfeil und Bogen gegenüber. Er fühlte sich winzig klein, und das Gesicht des Tieres füllte den ganzen Himmel aus. Und er hörte, daß es zu ihm sprach. Er konnte nicht alles verstehen, aber es sagte ungefähr folgendes : »Wenn du mich getötet hättest,

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