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Die unendliche Geschichte

Die unendliche Geschichte

Titel: Die unendliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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schließlich die Stelle, wo der Stamm wieder steiler und endlich senkrecht wurde. Er umklammerte ihn und ließ sich Zentimeter um Zentimeter hinunterrutschen. Mehrmals wurde er von oben mit großen Wolken farbigen Staubes überschüttet. Seitenäste gab es keine mehr, und wo doch noch ein Stumpf hervorragte, zerbröckelte dieser sofort, sobald Bastian versuchte, ihn als Stütze zu benützen. Nach unten zu wurde der Stamm immer dicker und war nicht mehr zu umklammern. Und noch immer befand Bastian sich turmhoch über dem Boden. Er hielt inné um zu überlegen, wie er weiterkommen konnte.
    Doch eine neue Erschütterung, die durch den riesigen Stumpf ging, enthob ihn jeder weiteren Überlegung. Das, was von dem Stamm noch übrig war, rutschte in sich zusammen und bildete einen spitzkegeligen Berg, von dem Bastian in einem wilden Wirbel herunterrollte, wobei er sich ein paarmal überschlug und schließlich am Fuß des Berges liegen blieb. Der nachrutschende Farbstaub begann ihn zu verschütten, doch er kämpfte sich ins Freie, schüttelte sich den Sand aus den Ohren und den Kleidern und spuckte ein paar mal kräftig aus. Dann blickte er sich um.
    Das Schauspiel, das er sah, war unerhört: Der Sand war allenthalben in einer langsamen, fließenden Bewegung. In eigentümlichen Wirbeln und Strömungen zog er da hin und dort hin, sammelte sich zu Hügeln und Dünen ganz unterschiedlicher Höhe und Ausdehnung, aber immer von einer ganz bestimmten Farbe. Hellblauer Sand strömte zu einem hellblauen Haufen zusammen, grüner zu einem grünen und violetter zu einem violetten. Perelin löste sich auf und wurde zu einer Wüste, aber zu was für einer!
    Bastian war auf eine Düne aus purpurrotem Sand geklettert und rings um sich her erblickte er nichts als Hügel hinter Hügel in allen nur erdenklichen Farben. Denn jeder Hügel zeigte eine Tönung, die bei keinem anderen wiederkehrte. Der nächstliegende war kobaltblau, ein anderer safrangelb, dahinter leuchtete einer in karmesinrot, in indigo, in apfelgrün, himmelblau, orange, pfirsichrosa, malvenfarben, türkisblau, fliederlila, moosgrün, rubinrot, umbrabraun, indischgelb, zinnoberrot und lapislazuliblau. Und so ging es immer weiter von einem Horizont zum anderen, bis das Auge es nicht mehr zu fassen vermochte. Goldene und silberne Bäche aus Sand zogen sich zwischen den Hügeln hin und trennten die Farben von einander. »Das«, sagte Bastian laut, »ist Goab, die Wüste der Farben!«
    Die Sonne stieg höher und höher und die Hitze wurde mörderisch. Die Luft begann über den bunten Sanddünen zu flimmern und Bastian wurde sich bewußt, daß seine Situation nun tatsächlich schwierig geworden war. In dieser Wüste konnte er nicht bleiben, das war gewiß. Wenn es ihm nicht gelang, aus ihr hinauszukommen, dann mußte er in kurzer Zeit verschmachten.
    Unwillkürlich griff er nach dem Zeichen der Kindlichen Kaiserin auf seiner Brust in der Hoffnung, daß es ihn führen würde. Dann machte er sich beherzt auf den Weg. Eine Düne nach der anderen erklomm er, eine nach der anderen watete er wieder hinab, Stunde um Stunde kämpfte er sich so vorwärts, ohne je etwas anderes zu erblicken, als Hügel hinter Hügel. Nur die Farben wechselten immerzu. Die fabelhaften Körperkräfte nützten ihm jetzt nichts mehr, denn die Weiten einer Wüste sind mit Kraft nicht zu bezwingen. Die Luft war ein wabernder Gluthauch der Hölle und kaum noch zu atmen. Die Zunge klebte ihm am Gaumen und sein Gesicht war schweißüberströmt.
    Die Sonne war zu einem Feuerwirbel in der Himmelsmitte geworden. Dort stand sie schon seit langer Zeit und schien sich nicht mehr weiterzubewegen. Dieser Wüstentag währte ebenso lang wie die Nacht über Perelin.
    Bastian ging weiter und immer weiter. Seine Augen brannten und seine Zunge fühlte sich an wie ein Stück Leder. Aber er gab nicht auf. Sein Körper war ausgedörrt und das Blut in seinen Adern wurde so dick, daß es kaum noch fließen wollte. Aber Bastian ging weiter, langsam, Schritt für Schritt, ohne zu eilen und ohne innezuhalten, wie es alle erfahrenen Wüsten wanderer tun. Er achtete nicht auf die Qualen des Durstes, die sein Körper litt. In ihm war ein Wille von so eiserner Härte erwacht, daß weder Müdigkeit noch Entbehrung ihn bezwingen konnte.
    Er dachte daran, wie rasch er früher zu entmutigen gewesen war. Er hatte hundert Dinge angefangen und sie bei der kleinsten Schwierigkeit wieder aufgegeben. Er hatte sich dauernd um seine Ernährung gesorgt

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