Die unendliche Geschichte
und lächerliche Angst davor gehabt, krank zu werden oder Schmerzen aushaken zu müssen. Das alles lag nun weit hinter ihm.
Diesen Weg durch die Farbenwüste Goab, den er jetzt zurücklegte, hatte noch nie zuvor ein anderer zu unternehmen gewagt, und nie würde nach ihm ein anderer es auf sich nehmen, ihn zu gehen.
Und wahrscheinlich würde niemand je davon erfahren.
Dieser letzte Gedanke erfüllte Bastian mit Bedauern. Aber er war nicht von der Hand zu weisen. Alles sprach dafür, daß Goab so unvorstellbar groß war, daß er den Rand der Wüste niemals erreichen würde. Die Vorstellung, früher oder später trotz aller Ausdauer verschmachten zu müssen, machte ihm keine Angst. Er würde den Tod ruhig und mit Würde ertragen, so wie es die Jäger aus Atréjus Volk zu tun pflegten. Aber da niemand sich in diese Wüste wagte, würde auch niemand je die Kunde von Bastians Ende verbreiten. Weder in Phantasien, noch zu Hause. Er würde einfach als verschollen gelten, und es würde sein, als sei er überhaupt nie nach Phantasien und in die Wüste Goab gekommen.
Während er, weitergehend, darüber nachdachte, kam ihm plötzlich eine Idee. Ganz Phantasien, so sagte er sich, war doch in jenem Buch enthalten, in dem der Alte vom Wandernden Berge geschrieben hatte. Und dieses Buch war die Unendliche Geschichte, in der er selbst auf dem Speicher gelesen hatte. Vielleicht stand auch jetzt alles, was er erlebte, in diesem Buch. Und es konnte doch sehr gut sein, daß ein anderer es eines Tages lesen würde - oder es sogar gerade jetzt, in diesem Augenblick las. Also mußte es auch möglich sein, diesem Jemand ein Zeichen zu geben.
Der Sandhügel, auf dem Bastian gerade stand, war ultramarinblau. Durch ein kleines Tal von diesem getrennt, lag eine feuerrote Düne. Bastian ging zu ihr hinüber, schöpfte mit beiden Händen von dem roten Sand und trug ihn zu dem blauen Hügel. Dann streute er auf den Seitenhang eine lange Linie. Er ging wieder zurück, holte neuen roten Sand und das tat er immer wieder. Nach einer Weile hatte er drei riesengroße rote Buchstaben auf den blauen Untergrund gestreut:
B B B
Zufrieden betrachtete er sein Werk. Dieses Zeichen konnte niemand ü2bersehen, der die Unendliche Geschichte lesen würde. Was auch immer nun aus ihm werden mochte, man würde wissen, wo er geblieben war.
Er setzte sich auf den Gipfel des feuerroten Berges und ruhte sich ein wenig aus. Die drei Buchstaben leuchteten hell in der grellen Wüstensonne.
Wieder war ein Stück seiner Erinnerung an den Bastian aus der Menschenwelt ausgelöscht. Er wußte nichts mehr davon, daß er früher einmal empfindlich, manchmal vielleicht sogar wehleidig gewesen war. Seine Zähigkeit und Härte erfüllten ihn mit Stolz. Aber schon meldete sich ein neuer Wunsch.
»Ich hab’ zwar keine Angst«, sagte er, wie es seine Gewohnheit war, vor sich hin, »aber das, was mir fehlt, ist der richtige Mut. Entbehrungenaushallen können und Strapazen durchstehen, ist eine großartige Sache. Aber Kühnheit und Mut, das ist doch noch was anderes ! Ich wollte, mir würde ein richtiges Abenteuer begegnen, das tollen Mut erfordert. Hier in der Wüste kann man ja niemand begegnen. Aber es müßte fabelhaft sein, einem gefährlichen Wesen zu begegnen - es sollte nur nicht gerade so scheußlich sein wie Ygramul, aber noch viel gefährlicher. Es sollte schön sein und zugleich das gefährlichste Geschöpf Phantásiens. Und ich würde ihm entgegentreten und…«
Weiter kam Bastian nicht mehr, denn im gleichen Augenblick fühlte er den Wüstenboden unter sich vibrieren. Es war wie ein Grollen von solcher Tiefe, daß man es mehr spürte als hörte.
Bastian wandte sich um und sah am fernen Wüstenhorizont eine Erscheinung, die er sich zunächst nicht erklären konnte. Dort raste etwas dahin wie ein Feuerball. Mit unglaublicher Geschwindigkeit beschrieb es einen weiten Kreis um die Stelle, wo Bastian saß, dann kam es plötzlich direkt auf ihn zu. In der hitzeflimmernden Luft, die alle Umrisse wie Flammen wabern ließ, sah das Wesen aus wie ein tanzender Dämon aus Feuer.
Die Angst packte Bastian, und ehe er noch recht überlegt hatte, war er schon in das Tal zwischen der roten und der blauen Düne hinuntergerannt, um sich vor dem heranrasenden Feuerwesen zu verstecken. Aber kaum stand er unten, schämte er sich schon dieser Angst und zwang sie in sich nieder.
Er griff nach AURYN auf seiner Brust und fühlte wie all der Mut, den er sich eben gewünscht hatte, in
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