Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
können fröhlich darüber lachen.
Man braucht aber nur bis über beide Ohren verliebt zu sein und seine Därme rumoren zu hören, und schon zerrinnt die Einheit von Körper und Seele, diese lyrische Illusion des wissenschaftlichen Zeitalters.
3.
Sie versuchte, sich durch ihren Körper hindurch zu sehen.
Deshalb stand sie so oft vor dem Spiegel. Da sie fürchtete, dabei von der Mutter ertappt zu werden, hatten ihre Blicke in den Spiegel den Charakter eines heimlichen Lasters. Nicht die Eitelkeit zog sie vor den Spiegel, sondern die Verwunderung darüber, das eigene Ich zu sehen. Sie vergaß, daß sie auf das Armaturenbrett ihrer Körperfunktionen schaute. Sie glaubte, ihre Seele zu sehen, die sich in ihren Gesichtszügen offenbarte. Sie vergaß, daß die Nase nur das Ende des Luftschlauches zur Lunge ist, und sah darin einen getreuen Ausdruck ihres Charakters.
Sie betrachtete sich lange, und manchmal störte es sie, die Züge der Mutter in ihrem Gesicht wiederzufinden. Deshalb betrachtete sie sich noch beharrlicher und strengte ihren Willen an, um die Züge der Mutter wegzudenken, sie endgültig auszulöschen. In ihrem Gesicht sollte nur das übrigbleiben, was sie selber war. Gelang es ihr, so war dies ein berauschender Moment: die Seele stieg an die Oberfläche des Körpers wie die Mannschaft eines Schiffes, die aus dem Schiffsbauch stürmt, das ganze Deck überschwemmt, zum Himmel winkt und singt.
Sie sah ihrer Mutter nicht nur ähnlich, manchmal habe ich den Eindruck, daß ihr Leben nur eine Verlängerung des Lebens der Mutter war, wie der Lauf einer Billardkugel die Verlängerung der Handbewegung des Spielers. Wo und wann hatte die Bewegung begonnen, die sich später in Teresas Leben verwandelte?
Vielleicht in dem Moment, als Teresas Großvater, ein Prager Kaufmann, die Schönheit seiner Tochter zum ersten Mal überschwenglich lobte. Teresas Mutter war damals drei oder vier Jahre alt, und er sagte ihr, daß sie einer Madonna von Raffael ähnlich sähe. Mit ihren vier Jahren merkte sie sich das gut, und als sie später auf der Schulbank des Gymnasiums saß, überlegte sie, anstatt dem Lehrer zuzuhören, welchen Gemälden sie wohl gliche.
5.
Als sie ins heiratsfähige Alter gekommen war, hatte sie neun Freier. Alle knieten im Kreise um sie herum. Wie eine Prinzessin saß sie in der Mitte und wußte nicht, welchen sie wählen sollte: der erste war schöner, der zweite geistreicher, der dritte wohlhabender, der vierte sportlicher, der fünfte war aus besserem Hause, der sechste trug ihr Verse vor, der siebte hatte die ganze Welt bereist, der achte spielte Geige und der neunte war der männlichste von allen. Aber alle knieten auf die gleiche Weise und alle hatten die gleichen Schwielen an den Knien.
Schließlich wählte sie den neunten, aber nicht etwa, weil er der männlichste war: in dem Augenblick, als sie ihm während der Liebe ins Ohr flüsterte, »Paß auf, paß gut auf«, da paßte er erst recht nicht auf, und sie mußte ihn überstürzt zum Mann nehmen, weil sie nicht rechtzeitig einen Arzt hatte auftreiben können, der eine Abtreibung gemacht hätte. So wurde Teresa geboren. Die zahlreiche Verwandtschaft kam aus allen Ecken des Landes angereist, beugte sich über die Wiege und lispelte. Teresas Mutter lispelte nicht. Sie schwieg. Sie dachte an die anderen acht Freier und fand sie alle viel besser als den neunten.
Wie ihre Tochter betrachtete sich auch Teresas Mutter gern im Spiegel. Eines Tages stellte sie fest, daß sie viele Falten um die Augen hatte, und sie sagte sich, daß ihre Ehe ein Irrtum war. Sie traf einen unmännlichen Mann, der mehrere Unterschlagungen hinter sich hatte und zwei geschiedene Ehen. Sie haßte Liebhaber mit Schwielen an den Knien. Sie verspürte eine unbändige Lust, selber niederzuknien. Sie fiel vor dem Betrüger auf die Knie und verließ ihren Mann und Teresa.
Aus dem männlichsten Mann wurde der traurigste. Er war so traurig, daß ihm alles gleichgültig wurde. Überall sagte er laut heraus, was er dachte, und durch seine ungeheuerlichen Aussagen provozierte er die kommunistische Polizei, die ihn verhaftete, verurteilte und einsperrte. Die Wohnung wurde versiegelt und Teresa kam zur Mutter.
Der traurigste Mann starb nach kurzer Zeit im Gefängnis, und die Mutter zog mit ihrem Betrüger und Teresa in eine kleine Stadt am Fuß der Berge. Teresas Stiefvater arbeitete in irgendeinem Amt, die Mutter war Verkäuferin in einem Geschäft. Sie hatte noch drei Kinder.
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