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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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auf Sonnin
     und dessen Besucher zu, «das kommt davon, wenn man Fischer zu Bauknechten macht.» Er rieb sich den linken Oberarm, den der
     Arbeiter beim Umdrehen mit dem geschulterten Balken getroffen hatte, und prüfte, ob das raue Holz seinenRock zerrissen hatte. «Glück gehabt, der Kerl», knurrte er, und sein Ton verriet, dass er darüber nicht unbedingt froh war.
    Sonnin beugte sich über den Ärmel, kniff die Augen zusammen und spitzte die Lippen. «Außer ein bisschen feuchtem Sand ist
     da nichts zu sehen. Ihr solltet wirklich besser achtgeben, Kopp», fuhr er mit unschuldigem Gesicht fort, «so eine Baustelle
     ist gefährlich. Wer wüsste das besser als der städtische Bauhofinspektor?»
    «Eure Scherze sind wie immer schwach, Sonnin», versetzte Kopp. «Aber immer noch besser als gar keine», fügte er versöhnlich
     hinzu. Seit er Sonnin vor zwei Jahren bei der Bewerbung um die Inspektorenstelle ausgestochen hatte, zeigte er sich dem umstrittenen
     Baumeister gegenüber gerne generös. «Und was sagt die Commerzdeputation zu unserem Werk?», fuhr er, an Claes Herrmanns gewandt,
     fort.
    «Sehr ordentlich, Kopp, wirklich sehr ordentlich. Aber sagt mal, dieser Arbeiter dort drüben», seine Augen wanderten über
     die Baustelle und suchten den Mann, dessen Balken Kopp so gefährlich im Weg gewesen war, «wer ist das?»
    «Der mich gerade beinahe erschlagen hätte? Das ist einer von diesen Kerlen, die vom Bauen nichts verstehen. In diesem Frühjahr
     müssen wir leider eine ganze Menge von ihnen anheuern. An allen Ecken der Stadt wird gebaut, was sehr erfreulich ist, aber
     auch mancherlei Schwierigkeiten mit sich bringt. Mancherlei! Der Ausbau des Herrengrabenfleets ist die größte Baustelle, natürlich,
     aber da sind auch die schiefen Kirchtürme, die Pesthofkirche, der Wasserturm am Schweinemarkt, nichts davon ist überflüssig,
     jedes wird Handel und Leben in derStadt außerordentlich befördern. Außerordentlich! Aber woher soll ich so viele gute, kenntnisreiche Arbeiter nehmen?»
    «Wenn nun auch noch das Eimbeck’sche Haus abgetragen und neu gebaut wird», grinste Sonnin, «müsst Ihr womöglich Frauen und
     Juden für Euch arbeiten lassen.»
    «Spottet nur, Sonnin. Ihr liefert Gutachten und Aufrisse wie die Wolken Regen. Wie viele Männer ich dafür auftreiben muss,
     muss Euch nicht kümmern. Aber tatsächlich ist Euer Vorschlag durchaus bedenkenswert. Ich sollte ihn dem Rat unterbreiten.»
    «Dann wäre ich allerdings dankbar, wenn Ihr meinen Namen nicht erwähnen würdet. Ich möchte Euch die Ehre dieser grandiosen
     Idee, für die man Euch gewiss eine saftige Gratifikation gewährt, nicht streitig machen.»
    «Habt Ihr ihn Paulung genannt?» Claes hatte heute weder Sinn für die ständigen Klagen des Bauhofinspektors noch für Sonnins
     spitzen Humor.» Warum arbeitet er für Euch, wenn er Fischer ist?»
    «Wie ich schon sagte, die Stadt will bauen, bauen, bauen, doch niemand bedenkt, dass man dazu fähige Leute braucht. Die sind
     keine Heringe, die man mit dem Netz fangen kann. Es gibt genug, denen Arbeit und Brot fehlen, mehr als genug, aber wenig,
     die es auch wert sind.»
    «Das ist gewiss ein ernstes Problem. Ist es nicht ungewöhnlich, dass einer, der Fischer ist, an Land arbeitet? Und ausgerechnet
     als Handlanger für den Bauhof?»
    «Das stimmt schon, aber der Paulung hatte keine Wahl. Sein Ewer ist im letzten Spätherbststurm in der Elbmündung gekentert
     und untergegangen. Bis auf einen, den andere Fischer aus dem Wasser gezogen haben,sind seine Männer abgesoffen. Er selbst konnte sich, weiß der Himmel wie, zur Rettungsbake auf Scharhörn retten. Er muss einen
     guten Aufpasser im Himmel haben.»
    «Für den Tag mag das stimmen», fiel ihm Kopp ins Wort. «Obwohl ich nicht weiß, ob das wirklich Glück ist, wenn einem die Leute
     absaufen, während man als Schiffer gerettet wird.»
    «Wohl kaum. Deshalb ist es nur vernünftig und christlich, lieber Kopp, dass Ihr ihm hier Arbeit gebt. Ich fürchte übrigens,
     Ihr werdet schon wieder gebraucht.»
    Sonnin wies auf den Strand in Richtung Altona. Von dort näherte sich ein offener Zweisitzer. Der dick vermummte Mann hinter
     seinem Kutscher verschwand beinahe in seinem breiten Pelzkragen. Dennoch erkannte Claes in ihm den Stadtkämmerer. Der war
     wohlbeleibt und befahl seinem Kutscher lange Umwege, wo ein kurzer Weg den Gebrauch seiner Beine erfordert hätte. Erst wenige
     Schritte vor Altona führte ein Fahrweg, den auch

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