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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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salzschwere Meerwasser drängte mit
     der Flut Sand die Elbe hinauf, das Elbwasser schwemmte Sand aus dem Flussbett flussabwärts – und nach und nach bauten sich
     feste Sandbarrieren, die Barren, in den Fluss. Je eine große behinderte die Schiffe bei Altona und bei Blankenese. Tagelang
     mussten die Schiffer oft warten, bis sie mit einer hohen Flut über die Sände segeln konnten.
    In jedem Winter veränderten sich die Barren mit der Strömung, den Stürmen und den hohen Fluten. Bevor die ersten großen Segler
     ausliefen oder die Elbe herauf von der Nordsee den Altonaer oder Hamburger Hafen anliefen, musste die Fahrrinne ausgelotet
     werden, damit die Schiffe sicher durch den Fluss kamen und ihre Liegeplätzean den Vorsetzen und Duckdalben unbeschadet erreichen konnten.
    Auch in diesem Jahr hatten die Lotsen und ihre Knechte wie stets schon in den letzten Februartagen zwischen den vermeintlich
     letzten Eisschollen die Oberelbe ausgelotet. Doch mit dem März war nicht nur der strenge Frost zurückgekommen, heftige Frühjahrsstürme
     von Nordwesten hatten hohe Fluten die Elbe hinaufgedrückt, Sand und alle Arten von Unrat aufgeschwemmt, als gelte es zurückzubringen,
     was der Fluss in Jahren mit sich genommen und in die Nordsee gespült hatte. Immerhin hatten die Deiche gehalten.
    Berno fror noch immer, selbst die Arbeit an den Riemen erwärmte ihn nicht. Am Morgen hatte ihn die Übelkeit so gequält, dass
     er zweimal auf seinen Strohsack zurückgesunken war, bevor er sich endlich stark genug fühlte, um aufzustehen. Dass auch heute
     Flaute herrschte, war ihm ein großes Glück, schon die kleinste Dünung hätte ihn umgebracht. Aber der Fluss schob das Wasser
     nur träge über den Sand seines weiten Bettes. Zusammenreißen, dachte er und atmete tief die kaltfeuchte Luft, streckte sich
     über den Rand des Bootes, schöpfte eine Handvoll Wasser und warf es sich ins Gesicht. Der Mann auf der Ruderbank hinter ihm,
     Dedje Luhns, lachte leise. «Fieber, Berno?»
    Alle hatten es gehört, und das Gelächter der Männer an den Riemen hallte über den Fluss. Sogar Hennrichs lachte.
    Berno bemühte sich zu grinsen, wie Männer miteinander über Männersachen grinsten. Noch einmal streckte er seine Hand vor,
     doch er tauchte sie nicht mehr ins Wasser. Das Boot war nun nahe einer kleinen Sandinsel, aufder sich mageres Weidengestrüpp festgesetzt hatte. Die letzte hohe Flut hatte den Sand bis an die Sträucher fortgerissen.
     Etwas Hölzernes, eine lange Stange, vielleicht eine Stelze, wie sie die Schäfer benutzten, um ihre Herde besser überblicken
     zu können, hatte sich im Wurzelgeflecht verhakt und hielt etwas fest. Es sah nicht nach dem üblichen Unrat aus, der von den
     großen Schiffen über Bord geworfen wurde, obwohl das streng verboten war. Nein, auch wenn es mehr unter als auf dem Wasser
     schwamm, erkannte Berno etwas, das wie ein Stoffballen aussah, der sich im Wiegen der Flut auszurollen begann.
    «Da drüben», rief er und zeigte zu dem Gestrüpp hinüber, «da schwimmt was. Sieht noch ziemlich gut aus.»
    Alle reckten sich nach der Sandinsel, Hennrichs nickte und sagte: «Dann mal los. Der dritte Teil für dich, Berno, der Rest
     für uns.» Und nach kurzem Zögern: «Sonst geht das keinen was an. Merkt euch das.»
    Mit wenigen Ruderschlägen erreichten sie ihren Fund und gingen längsseits. Berno, an dessen Seite der Stoffballen im Wasser
     lag, griff nach ihm, doch gerade als er einen Zipfel erwischt hatte, trieb das Boot einige Fuß ab, und er musste seinen Fund
     wieder loslassen.
    «Verdammt», rief er, «haltet den Kahn ruhig. Stak uns wieder ran, Dedje.»
    Dedje stand auf, bohrte seinen Riemen in den Sand, und während Luther und der vierte Mann an den Riemen, Dedjes Bruder Hanjo,
     das Boot im Gleichgewicht hielten, beugte Berno sich über den Bootsrand. Luther bohrte seinen Riemen nun an der anderen, der
     flussseitigen Seite des Bootes in den Sand, und so lag es ruhig im Wasser. Wieder griff Berno nach dem Stoff, diesmal packte
     er fest zu – und ließ mit einem würgenden Schrei wiederlos. Der Ballen oder was er dafür gehalten hatte, hatte sich gedreht, aus den wabernden Stoffen blickte ihm ein Gesicht entgegen,
     und eine bläulich weiße Hand schien ihm aus der Schwärze des Wassers zuzuwinken.
     
    Die kleine Truhe war wirklich ein hübsches Stück. Dank Helenas Entschlossenheit und gegen Manons jammernden Protest nahm sie
     nun den Platz zweier Körbe unter dem rechten Fenster der

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