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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Kutschen und Fuhrwerke befahren konnten, an den Strand hinunter.
    Sonnin sah mit gerunzelter Stirn dem Bauhofinspektor nach, der mit fliegenden Rockschößen, den Hut schon in der Hand, den
     Kopf schon halb gebeugt, dem Stadtkämmerer, immerhin einem der wichtigsten Männer der Stadt, entgegeneilte.
    «Letztlich bin ich doch froh, dass Euer Rat mich nicht zum städtischen Inspektor machen wollte. Mein Rücken ist für solche
     Mätzchen seit jeher zu steif. Aber verratet mir, warum interessiert Ihr Euch so für den jungen Paulung?»
    «Aus keinem besonderen Grund. Ich finde es nur seltsam,dass er hier arbeitet. Ist sein Vater nicht einer von den Lotsen, die auf die hannöversche Seite gewechselt sind? Warum folgt
     er seiner Familie nicht?», fuhr er fort, als der Baumeister nickte. «Wenn er ein erfahrener Fischer ist und sich kein neues
     Boot leisten kann, könnte er sich dort zumindest als Hauerlotse bewerben.»
    «Das könnte er. Doch selbst wenn die Stader freie Lotsstellen haben, schuftet er lieber hier im Dreck. Das ist eine lange
     Geschichte. Ich will gerade zurück in die Stadt gehen. Wenn Ihr Euch dazu durchringen könntet, Euer Pferd am Zügel zu führen
     und mich per pedes zu begleiten, will ich sie Euch gern erzählen.»
    Claes ließ sich nie eine gute Geschichte entgehen. Beinahe hätte er darüber den Grund seines Besuches vergessen, aber die
     neuen Probleme wegen der Versandung des Oberhafens, die ihm noch am Morgen so dringlich erschienen waren, dass er sich auf
     den weiten Weg bis zum neuen Hanfmagazin gemacht hatte, konnten ein Stündchen warten.
    Der alte Paulung, berichtete Sonnin, habe in der Tat vor einigen Jahren zu den Ersten gehört, die die Lotsstation am hannöverschen
     Südufer eingerichtet hatten. Henning Paulung war wie die meisten Fischer gewesen, bevor er Lotse wurde. Seit Generationen
     waren die Paulungs Elbfischer, Henning war der Erste, der auch auf die Nordsee hinausfuhr, wie später auch sein Sohn Matthias.
     Es hatte viel Rederei gegeben, als die Abtrünnigen an das Südufer wechselten, die ganze Lotsenschaft von Cuxhaven bis Hamburg
     war empört, aber über die Paulungs wurde besonders und aus noch einem anderen Grund geredet.
    Henning und sein Sohn, so hieß es, seien schon vonjeher wie Katz und Hund gewesen. Warum, wusste keiner ganz genau, obwohl es natürlich viele Gerüchte gab. Weil Matthias als
     junger Mann zu viel gesoffen und keine Schlägerei ausgelassen habe, sagten die einen. Weil Henning, kaum dass er die Tür seines
     Hauses hinter sich geschlossen habe, vom honorigen Raubein zum Tyrannen wurde, sagten die anderen. Eva Paulung, Hennings Frau,
     wurde oft tagelang nicht gesehen. Wegen der blauen Flecken, sagten die Leute, aber keiner war sicher, woher sie die hatte,
     von Henning oder von Matthias. So zerstritten die Paulungs sein mochten, was zwischen ihnen vorging, ließen sie niemanden
     wissen.
    Als Henning sich ans Südufer absetzte, blieb Matthias. Was keinen wunderte, er hatte ja längst sein eigenes Boot.
    «Die Leute sind seltsam», sagte Sonnin und blieb, schnaufend vom steilen Aufstieg, am Saum des Hanges beim Hornwerk stehen.
     «Jeder weiß, dass Matthias mit seinem Vater zerstritten ist, trotzdem lassen sie es ihn büßen, dass er der Sohn des alten
     Paulung ist, der sich auf die andere Seite geschlagen hat und nun seinen eigenen Leuten Lotsgelder wegschnappt.»
    «Deshalb arbeitet er lieber für den Bauhof, als sich einen Platz auf dem Ewer eines anderen Fischers zu suchen?»
    Sonnin zuckte mit den Achseln. «So ganz genau weiß ich das nicht. Aber er ist ein halsstarriger Kerl, im Zorn möchte auch
     ich ihm nicht gerne begegnen. Ich denke, er will sich einfach niemandem unterordnen, der auf ihn und seine Familie, so zerstritten
     sie auch sein mögen, heruntersieht. Er wird versuchen, einen neuen Ewer zu bekommen. Wobei ich mir nicht vorstellen kann,
     wie erbei diesem Lohn auch nur ein paar Pfennige zusammenkratzen kann.»
    «Vielleicht macht er es wie Ihr und spielt in der Lotterie?»
    «Nun ist es an mir zu sagen: Spottet nur. Ich hoffe, er ist klüger als ich. Mir geht es wie unserem gelehrten Freund Lessing.
     Wir zahlen mit unseren Einsätzen immer nur für die Gewinne der Glückreicheren. Aber nein, dass Paulung sein Glück in der Lotterie
     versucht, glaube ich nicht. Dafür braucht man nicht nur einen kindlichen Glauben an die Gunst des Unwahrscheinlichen, sondern
     auch Leichtfertigkeit und Lust am Spiel. Nichts davon kann man

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