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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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diese Arrangements nur im Falle Ihres Einverständnisses in die Tat umgesetzt, Mr. Ryder. Wenn Sie mit einem dieser Einfälle nicht recht glücklich sind, sagen Sie es bitte ganz offen.«
    Während Hoffman noch sprach, formte sich in meinem Kopf ein lebhaftes Bild des bevorstehenden Abends. Ich konnte den Applaus hören und das Summen der elektronischen Anzeigetafel über meinem Kopf. Ich sah mich das kleine Schulterzucken ausführen und dann zur Rampe in das blendende Scheinwerferlicht treten. Und ein merkwürdiges, traumhaft unwirkliches Gefühl ergriff mich, als mir so richtig bewußt wurde, wie unvorbereitet ich war. Ich sah, daß Hoffman auf meine Antwort wartete, und brummelte müde:
    »Das klingt alles ganz großartig, Mr. Hoffman. Sie haben die Sache wirklich sehr gründlich durchdacht.«
    »Aha. Sie stimmen also zu. Die Einzelheiten sind also...«
    »Ja, ja«, sagte ich und winkte ungeduldig mit der Hand. »Die elektronische Anzeigetafel, das Vortreten an die Rampe, das Schulterzucken, ja, ja, ja. Die ganze Sache ist wirklich sehr gründlich durchdacht.«
    »Aha.« Einen Augenblick lang schaute Hoffman noch etwas unsicher drein, aber dann schien er zu dem Schluß zu kommen, daß ich es ehrlich meinte. »Prächtig. Dann wäre ja alles geregelt.« Er nickte und schwieg dann eine Weile. Dann hörte ich ihn wieder vor sich hin murmeln, ohne daß er den Blick von der Straße wandte: »Ja, ja. Dann ist alles geregelt.«
    Während der nächsten Minuten sagte Hoffman weiter nichts zu mir, er murmelte nur weiterhin leise vor sich. Fast der ganze Himmel war jetzt von einem rosafarbenen Schimmer überzogen, und während die Straße sich durch das Ackerland schlängelte, prallte die untergehende Sonne auf die Windschutzscheibe, drang in den Wagen und zwang uns zu blinzeln. Als ich dann einmal durch das Fenster auf meiner Seite schaute, hörte ich Hoffman plötzlich keuchen:
    »Hornochse! Hornochse, Hornochse, Hornochse!«
    Obwohl er auch das recht leise gesagt hatte, schrak ich doch zusammen, drehte mich um und schaute ihn an. Da sah ich, daß Hoffman immer noch ganz in seine eigene Welt versunken war, daß er geradeaus starrte und immer noch nickte. Ich schaute zu den Äckern, an denen wir vorüberkamen, erblickte auf den Feldern aber nur Massen von Schafen und weit und breit keine Spur von einem Ochsen. Ich konnte mich vage daran erinnern, daß Hoffman sich auf einer Autofahrt mit mir schon einmal ähnlich verhalten hatte, aber bald verlor ich das Interesse an der Sache.
    Kurz darauf befanden wir uns wieder auf den Straßen der Innenstadt, und die Autos kamen bald nur noch langsam und kriechend vorwärts. Die Bürgersteige waren voller Menschen, die von der Arbeit nach Hause eilten, und in vielen Schaufenstern brannten schon die Lichter. Nun, da ich wieder in der Stadt war, fühlte ich, wie mein Selbstvertrauen allmählich zurückkehrte. Vieles, so überlegte ich mir, würde sich von ganz allein regeln, wenn ich erst einmal im Konzertsaal wäre, wenn ich erst einmal Gelegenheit gehabt hätte, auf der Bühne zu stehen und mir die Umgebung gründlich anzuschauen.
    »Ganz bestimmt«, sagte Hoffman plötzlich, »wird alles in Ordnung kommen, Mr. Ryder. Da gibt es nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müßten. Diese Stadt wird Ihnen alle Ehre erweisen, Sie werden schon sehen. Und was Mr. Brodsky betrifft, so habe ich immer noch vollstes Vertrauen in ihn.«
    Ich fand, ich sollte wenigstens so tun, als sei ich optimistisch. »Ja«, sagte ich fröhlich, »ich bin sicher, Mr. Brodsky wird heute abend großartig sein. Auf jeden Fall war er eben offensichtlich gut in Form.«
    »So?« Hoffman warf mir einen verblüfften Blick zu. »Sie haben ihn kürzlich gesehen?«
    »Gerade eben auf dem Friedhof oben. Wie gesagt, er schien ganz zuversichtlich...«
    »Mr. Brodsky war auf dem Friedhof? Ja, was kann er denn da nur gewollt haben?«
    Hoffman schaute mich fragend an, und einen Moment lang zog ich in Erwägung, ihm die ganze Geschichte mit dem Friedhof und Brodskys beeindruckendem Einschreiten zu erzählen. Aber dann konnte ich mich doch nicht dazu aufraffen und sagte einfach nur:
    »Ich glaube, er hat dort gleich eine Verabredung. Mit Miss Collins.«
    »Mit Miss Collins? Du liebe Güte. Was um alles in der Welt hat das nur zu bedeuten?«
    Ich schaute ihn an, seine Reaktion überraschte mich ein wenig. »Es scheint, als rücke eine Versöhnung in greifbare Nähe«, sagte ich. »Und wenn sich tatsächlich eine glückliche Lösung

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