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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kazuo Ishiguro
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natürlich, daß das nur die Anspannung vor einem großen Ereignis ist. Er wird jeden Moment hiersein, das weiß ich ganz bestimmt. Und der ganze Abend, auch da bin ich mir vollkommen sicher, wird ein Erfolg werden, ein voller Erfolg...«
    »Mr. Hoffman«, sagte ich, und meine Ungeduld gewann die Oberhand, »wenn Sie denken, es ist in Ordnung, Mr. Brodsky Whisky trinkend zurückgelassen zu haben, dann ist das Ihre Sache. Ich bin mir nicht so sicher, ob das die richtige Entscheidung war, doch Sie können die Lage natürlich viel besser beurteilen als ich. Aber wie dem auch sei, darf ich Sie daran erinnern, daß ich selbst in diesem Augenblick Hilfe brauche? Wie ich Ihnen schon sagte, ich brauche so schnell wie möglich einen Wagen. Es handelt sich wirklich um eine Angelegenheit von erheblicher Dringlichkeit, Mr. Hoffman.«
    »Ach ja, ein Wagen.« Hoffman schaute sich nachdenklich um. »Das einfachste wäre es, wenn Sie sich meinen Wagen ausleihen würden, Mr. Ryder. Er ist da draußen vor dieser Brandschutztür geparkt.« Er deutete ein Stückchen weiter den Korridor hinunter. »Tja, wo habe ich denn die Schlüssel? Ach, da sind sie ja. Die Lenkung zieht ein wenig nach links. Ich hatte vor, das richten zu lassen, aber dann mußten so viele Dinge erledigt werden. Bitte machen Sie mit dem Wagen, was immer Sie für nötig halten. Ich brauche ihn erst morgen früh wieder.«

DREISSIG
    Ich lenkte Hoffmans großen schwarzen Wagen von dem Parkplatz herunter und auf eine gewundene, von Tannen gesäumte Straße. Dies war eindeutig nicht der übliche Weg von dem Gelände herunter. Die Straße war voller Schlaglöcher, sie war unbeleuchtet und so schmal, daß zwei Fahrzeuge unmöglich hätten aneinander vorbeifahren können, ohne die Geschwindigkeit zu drosseln. Ich fuhr vorsichtig, starrte in die Dunkelheit und rechnete jeden Augenblick mit einem Hindernis oder einer scharfen Kurve. Dann ging es plötzlich ganz geradeaus, und im Scheinwerferlicht sah ich, daß ich durch einen Wald fuhr. Ich beschleunigte, und ein paar Minuten lang ging es weiter durch die Dunkelheit. Dann sah ich auf einmal etwas Helles durch die Bäume zu meiner Linken, ich wurde langsamer und stellte fest, daß ich auf die vor dem Nachthimmel prächtig erleuchtete Vorderfront des Konzertsaals schaute.
    Das Gebäude lag jetzt ein ganzes Stück zurück, und ich schaute von der Seite darauf, aber ich konnte viel von seiner eindruckgebietenden Fassade erkennen. Es gab Reihen herrlicher steinerner Säulen zu beiden Seiten des Hauptbogens, und hohe Fenster reichten hinauf bis an das riesige Kuppeldach. Ich fragte mich, ob die Besucher wohl schon allmählich eintrafen, und ich hielt den Wagen an und kurbelte das Fenster herunter, um besser sehen zu können. Doch selbst als ich mich in meinem Sitz ganz aufrichtete, hinderten mich die Bäume daran, etwas von dem ebenerdigen Teil des Gebäudes zu sehen.
    Während ich noch weiter zu dem Konzertsaal schaute, dachte ich an die Möglichkeit, daß genau in diesem Augenblick auch meine Eltern eintreffen könnten. Ganz lebhaft erinnerte ich mich plötzlich an Hoffmans Beschreibung der Pferdekutsche, mit der sie aus der Dunkelheit vor die bewundernden Blicke der Menge gebracht würden. Genau in dem Moment, als ich mich noch aus dem Fenster hinauslehnte, meinte ich tatsächlich, in unmittelbarer Nähe das Geräusch ihrer vorbeifahrenden Kutsche zu hören. Ich stellte den Motor ab und horchte noch einmal, dabei lehnte ich mich noch weiter hinaus. Dann stieg ich ganz aus dem Wagen und stand dort in der Nacht und horchte angestrengt.
    Der Wind wiegte die Bäume. Dann hörte ich noch einmal die schwachen Geräusche von vorhin: das Klappern von Hufen, ein rhythmisches Klirren, das Rattern eines hölzernen Gefährts. Dann entschwanden die Geräusche hinter dem Rauschen der Bäume. Ich horchte noch ein wenig länger, aber jetzt war es still. Schließlich drehte ich mich um und stieg wieder in den Wagen.
    Ich war ganz ruhig, fast heiter und gelassen gewesen, als ich da auf der Straße gestanden hatte, aber kaum hatte ich den Motor wieder angelassen, ergriff mich eine kraftvolle Mischung aus Enttäuschung, Panik und Wut. Meine Eltern fuhren in ebendiesem Moment vor, und hier war ich nun, meine Vorbereitungen waren alles andere als abgeschlossen, und sogar jetzt noch bewegte ich mich von dem Konzertsaal weg, um mich um etwas vollkommen anderes zu kümmern. Ich begriff nicht, wie ich es zu so etwas hatte kommen lassen können, und ich

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