Die Ungetroesteten
so, als ich noch ein kleines Kind war.«
»Ach, Mr. Ryder, das ist Pedro.«
Der Fotograf lächelte und streckte mir beflissen die Hand hin. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Ich kann Ihnen sagen, das ist ein richtiger Glücksfall für mich. Den Auftrag habe ich erst heute morgen bekommen. Als ich heute aufgestanden bin, gab es nichts, worauf ich mich freuen konnte, außer auf diesen Fototermin beim Stadtrat. Dann kommt dieser Anruf, als ich unter der Dusche bin. Wollen Sie das machen, fragen die mich. Ob ich das machen will? Der Mann ist schon mein Idol gewesen, als ich noch ein kleines Kind war, sage ich denen. Ob ich das machen will? Mein Gott, das mache ich umsonst. Dafür würde ich Sie bezahlen, sage ich denen. Sagen Sie mir nur, wo ich hin soll. Ich schwöre Ihnen, so aufgeregt bin ich noch bei keinem Auftrag gewesen.«
»Um ganz ehrlich zu sein, Mr. Ryder«, sagte der Reporter, »der Fotograf, der gestern abend mit mir im Hotel war – na ja, nachdem wir ein paar Stunden gewartet hatten, wurde er allmählich ein bißchen ungeduldig. Natürlich habe ich mich sehr über ihn geärgert. ›Du scheinst nicht zu begreifen‹, habe ich zu ihm gesagt. ›Wenn Mr. Ryder aufgehalten wurde, dann ganz bestimmt nur durch eine höchst dringende Verpflichtung. Wenn er schon so freundlich ist, uns etwas von seiner Zeit zu opfern, und wenn wir ein wenig warten müssen, dann werden wir eben warten.‹ Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich ganz schön über ihn geärgert. Und als ich zurückgekommen bin, habe ich zum Redakteur gesagt, daß es so einfach nicht geht. ›Suchen Sie mir für morgen einen anderen Fotografen‹, habe ich verlangt. ›Ich will jemanden, der sich über Mr. Ryders Rang im klaren ist und ihm gegenüber die angemessene Dankbarkeit an den Tag legt.‹ Ja, ich glaube, ich habe mich ganz schön aufgeregt. Na jedenfalls, jetzt haben wir Pedro, und der scheint ja nun fast so ein großer Fan von Ihnen zu sein wie ich.«
»Größer, größer«, widersprach Pedro. »Als ich heute morgen diesen Anruf bekam, konnte ich es einfach nicht glauben. Mein Idol ist in der Stadt, und ich darf die Fotos machen. Gott, ich werde so gut sein wie noch nie, das habe ich mir geschworen, als ich unter der Dusche stand. Bei einem Mann wie ihm muß ich einfach so gut sein wie noch nie. Ich werde ihn vor dem Sattler-Haus aufnehmen. Das habe ich schon vor mir gesehen. Ich habe die ganze Anordnung schon vor meinem inneren Auge gesehen, als ich unter der Dusche stand.«
»Also, Pedro«, sagte der Reporter und schaute ihn streng an, »ich bezweifle sehr, daß Mr. Ryder zum Sattler-Haus will, nur damit wir unsere Aufnahmen bekommen. Na schön, es sind höchstens ein paar Minuten zu fahren, aber ein paar Minuten sind immer noch viel Zeit für einen Mann mit einem straffen Terminplan. Nein, Pedro, du wirst schon hier bleiben und das Beste daraus machen müssen; mach ein paar Aufnahmen von Mr. Ryder, während wir uns hier am Tisch unterhalten. Ein Straßencafé – okay, das ist ziemlich abgedroschen, so wird das unverwechselbare Charisma, das Mr. Ryder um sich verbreitet, kaum wirkungsvoll zur Geltung kommen. Aber das muß nun mal genügen. Zugegeben, Mr. Ryder vor dem Sattler-Haus, das ist wirklich eine glänzende Idee von dir. Aber soviel Zeit hat er einfach nicht. Wir müssen uns eben mit einem wesentlich alltäglicheren Bild von ihm zufriedengeben.«
Pedro boxte sich mit der Faust in die Handfläche und schüttelte den Kopf. »Du hast wohl recht. Aber mein Gott, das ist ziemlich hart. Eine Chance, den großen Mr. Ryder zu fotografieren, eine Chance, wie sie nur einmal im Leben kommt, und ich muß mich mit einer von diesen Café-Szenen abfinden. Solche Karten spielt einem das Leben zu.« Wieder schüttelte er traurig den Kopf. Dann saßen die beiden einen Augenblick lang nur da und schauten mich an.
»Also«, sagte ich, »dieses Haus, von dem Sie da sprechen. Sind es wirklich nur ein paar Minuten zu fahren?«
Pedro richtete sich plötzlich gerade auf, sein Gesicht strahlte vor Begeisterung.
»Ist das Ihr Ernst? Sie posieren für uns vor dem Sattler-Haus? Mein Gott, was für ein Glück! Ich wußte doch, daß Sie ein prima Kerl sind!«
»Also, Moment mal...«
»Sind Sie sicher, Mr. Ryder?« fragte der Reporter und packte mich am Arm. »Sind Sie auch wirklich sicher? Ich weiß ja, Sie haben einen harten Terminplan. Mensch, das ist wirklich großartig von Ihnen! Und Hand aufs Herz, mit dem Taxi sind es nicht mehr als drei
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