Die Ungetroesteten
du irgend etwas willst, ich bin gleich hier draußen.«
Boris zuckte mit den Schultern, seine Aufmerksamkeit galt jetzt der Kellnerin, die dabei war, eine kunstvoll gearbeitete Süßigkeit aus der Vitrine zu heben.
ZWÖLF
Als ich wieder in den Innenhof hinaustrat, konnte ich den langhaarigen Reporter nirgendwo mehr sehen. Ich ging eine Weile zwischen den Sonnenschirmen herum und schaute in die Gesichter der Leute, die an den Tischen saßen. Als ich einmal um den ganzen Innenhof herumgegangen war, blieb ich stehen und zog die Möglichkeit in Erwägung, daß der Reporter seine Meinung geändert hatte und weggegangen war. Aber das wäre wirklich sehr merkwürdig gewesen, und so sah ich mich noch einmal um. Da saßen mehrere Leute und lasen über ihrem Kaffee die Zeitung. Ein alter Mann sprach mit den Tauben zu seinen Füßen. Dann hörte ich jemanden meinen Namen sagen, und als ich mich umdrehte, sah ich den Reporter an einem Tisch direkt hinter mir sitzen. Er sprach mit einem untersetzten, dunkelhäutigen Mann, von dem ich annahm, es sei der Fotograf. Ich gab einen erstaunten Ausruf von mir und ging zu ihnen, doch merkwürdigerweise setzten die beiden Männer ihr Gespräch fort, ohne zu mir aufzusehen. Sogar als ich mir den dritten Stuhl nahm und mich setzte, sah mich der Reporter – der gerade mitten in einem Satz war – nur sehr flüchtig an. Dann drehte er sich wieder zu dem dunkelhäutigen Fotografen um und fuhr fort:
»Also laß dir bloß nichts anmerken wegen der Bedeutung von dem Gebäude. Du brauchst dir einfach nur irgendeine trickreiche Begründung auszudenken, irgendeinen Grund dafür, daß er ständig davor stehen soll.«
»Kein Problem«, sagte der Fotograf und nickte. »Kein Problem.«
»Aber dränge ihn nicht zu sehr. Das scheint der Fehler gewesen zu sein, den Schulz vorigen Monat in Wien gemacht hat. Und denk dran, wie all diese Typen ist er ungeheuer eitel. Also tu so, als seist du ein großer Fan von ihm. Sag ihm, daß die Zeitung keine Ahnung davon hatte, als sie dich geschickt haben, aber zufällig bist du ein richtig großer Fan. So kriegst du ihn zu fassen. Aber erwähne bloß nicht das Sattler-Haus, bevor ihr nicht einen guten Kontakt zueinander habt.«
»Okay, okay.« Der Fotograf nickte immer noch. »Aber ich habe irgendwie gedacht, das wäre längst alles geregelt. Ich habe gedacht, du hättest ihn schon soweit, daß er zugestimmt hat.«
»Ich wollte es ja telefonisch versuchen zu klären, aber dann hat mich Schulz gewarnt und mir gesagt, was für ein schwieriger Scheißtyp das ist.« Als der Reporter das sagte, drehte er sich zu mir um und lächelte mich höflich an. Der Fotograf, der dem Blick seines Begleiters folgte, nickte mir zerstreut zu, dann vertieften die beiden sich wieder in ihr Gespräch.
»Das Problem mit Schulz«, sagte der Reporter, »ist, daß er den Leuten nie genug schmeichelt. Und dann hat er auch noch diese Art, als wenn er ganz ungeduldig ist, auch wenn das gar nicht stimmt. Bei den Typen bleibt einem nichts als Schmeichelei. Also jedesmal, wenn du auf den Auslöser drückst, sag einfach immer ›wunderbar‹. Mach das die ganze Zeit. Du darfst nie aufhören, sein Ego zu bedienen.«
»Okay, okay. Kein Problem.«
»Also, ich fange dann an mit...« Der Reporter seufzte gelangweilt. »Ich fange an mit seinem Auftritt in Wien oder so etwas. Ich habe hier ein paar Notizen darüber, damit werde ich schon Eindruck schinden. Aber wir wollen nicht zuviel Zeit verschwenden. Nach ein paar Minuten tust du dann so, als hättest du diesen Einfall, zum Sattler-Haus zu gehen. Ich tue dann zuerst so, als sei ich etwas ärgerlich deswegen, aber dann gebe ich zu, daß es eine glänzende Idee ist.«
»Okay, okay.«
»Also, du weißt jetzt Bescheid. Denk immer dran, er ist einer von den Kerlen, die leicht einschnappen.«
»Ja, klar.«
»Wenn irgendwas schiefgeht, sag einfach was Schmeichelhaftes.«
»Gut, gut.«
Die beiden Männer nickten sich zu. Dann holte der Reporter tief Luft, klatschte in die Hände und drehte sich zu mir um, wobei sich sein Gesicht plötzlich aufhellte.
»Ach, Mr. Ryder, da sind Sie ja! Wirklich sehr nett von Ihnen, daß Sie uns etwas von Ihrer kostbaren Zeit schenken. Und der junge Mann, ich nehme an, er amüsiert sich da drinnen?«
»Ja, ja. Er hat sich ein besonders großes Stück Käsekuchen bestellt.«
Beide Männer lachten vergnügt. Der dunkelhäutige Fotograf grinste und sagte:
»Käsekuchen. O ja, den mag ich am liebsten. Das war schon
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