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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Marion Weiß
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mitgekriegt. Er schlief immer noch ganz tief. Er war spät heimgekommen,
es musste so gegen halb eins gewesen sein. Sie war an seinem Rumoren aufgewacht,
hatte sich aber schlafend gestellt. Sie hatte keine Lust gehabt, sich endlose Vorhaltungen
über ihr Benehmen anzuhören. Außerdem schien er wohl ein Gläschen zu viel getrunken
zu haben, was ihn in letzter Zeit ziemlich aggressiv machte.
    Früher war
das anders gewesen. Früher war Robert dann der Charme in Person gewesen. So hatte
sie ihn kennengelernt, bei einer Uni-Fete, die sie mit Roberts Bruder Markus besucht
hatte. Damals, vor 30 Jahren, als sie mäßig motiviert herum studiert hatte – erst
Germanistik, dann Geschichte, dann Politik, ein bisschen hier, ein bisschen da,
ohne ein konkretes Ziel. Robert dagegen, zehn Jahre älter und über den zweiten Bildungsweg
an die Uni gekommen, Robert hatte von Anfang an gewusst, was er wollte – einen Lehrstuhl
nämlich, jawohl, Herr Professor. Assistent von Wolfgang Heubusch war er gewesen,
von dem Heubusch, der so Furore gemacht hatte mit seinen Veröffentlichungen
zu Bader-Meinhoff. Der dann auch maßgeblich am Zustandekommen von Sartres Besuch
in Stammheim beteiligt gewesen war.
    Ach, wie
lange war das her. Robert hatte ihr damals wahnsinnig imponiert, mit seiner Zielstrebigkeit
und mit seiner Stellung als Heubuschs Adlatus. Um ehrlich zu sein, Paula war damals
ziemlich wählerisch gewesen, unterhalb eines Dozenten lief bei ihr nichts. Sie hatte
sich später manchmal gefragt, ob sie sich wohl auch dann in Robert verliebt hätte,
wenn er bloß ein kleiner Student gewesen wäre. Aber so war das eben, Erfolg und
Macht machten sexy.
    Dass Robert
sich für Paula entschieden hatte, war eigentlich eher ungewöhnlich. Mit ihrem abgebrochenen
Studium war sie alles andere als eine Trophäe für den heranreifenden Ordinarius.
Aber Heubuschs vielversprechende Tochter hatte ihn, nach einer atemberaubend kurzen
und turbulenten Verlobungszeit, abgehalftert, und so musste er kleinere Brötchen
backen. Zweite Wahl, sozusagen. Wie auch immer, ihre Ehe, wenngleich kinderlos,
war 23 Jahre lang recht gut gelaufen. Paula spielte nicht ungern die vielzitierte
Frau an seiner Seite, die dem weltläufigen Herrn Professor die Unannehmlichkeiten
des Alltags vom Halse hielt und dafür nicht nur an seinen gesellschaftstheoretischen
Gedankenflügen, sondern auch an seinen vielen Kongressbesuchen und Studienreisen
teilhaben durfte. Paris, Rom, Madrid, Athen, San Francisco – und so weiter.
    Wie gesagt,
alles lief recht harmonisch, ohne wirkliche Probleme. Bis vor drei Jahren. Dass
Robert auf dem Weg nach oben immer angepasster wurde, hatte Paula zwar nicht erwartet
– nein, nicht im Kielwasser eines Wolfgang Heubusch –, aber wenn sie sich umsah,
dann war das nicht so erstaunlich. Da brauchte sie doch nur an die prominenten Alt-68er
zu denken, an den guten Joschka zum Beispiel, everybody’s darling, oder den roten
Dany, seinen Freund und Weggefährten. Beide hatten sich problemlos ins Establishment
hineingehangelt. Warum also nicht auch Robert?
    Paula wälzte
sich von einer Seite zur anderen. Wieso schwitzte sie plötzlich so? Sie musste sich
doch keine Sorgen machen. Ihr Leben war doch geregelt.
    Allzu geregelt.
Das war’s. Und genau das schnürte ihr den Hals zu. Roberts Lustlosigkeit war zum
Davonlaufen. Früher ging er mittwochs wenigstens noch zum Stammtisch, mit Lukas
und Johannes, und ein, zwei Mal in der Woche ins Sportstudio und in die Sauna. Aber
jetzt – alles aus und vorbei. Warum sollte er auch fort, wenn es zu Hause doch so
schön bequem war? Wo er stundenlang fernsehen konnte. Ja, die Glotze. Ohne die ging
nichts mehr. Und was sich Robert so alles ansah. Sogar die Daily Soaps im Vorabendprogramm.
    Paula schauderte.
Mein Leben und ich. War das wirklich ihr Leben? Nein. Das konnte es doch nicht gewesen
sein. Nicht mit Mitte 50. Das musste anders werden. Sie musste da raus.
    Den ersten
Schritt hatte sie ja schon getan. Sie ging wieder zur Uni, in den Workshop für ›Kreatives
Schreiben‹. Robert hatte sich zuerst darüber lustig gemacht. Hatte sie gefragt,
ob das ihr überfälliger Selbstverwirklichungstrip sei. Doch als dann eine Geschichte
von ihr im›Brückenschlag‹ erschien, da war er richtig garstig geworden.
    »Du bildest
dir doch hoffentlich nichts darauf ein? Im›Brückenschlag‹, dass ich nicht
lache. Du weißt doch ganz genau, was das wert ist.«
    Paula hatte
die Sache mit einem Achselzucken abgetan. Sie

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