Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)
Lichtpunkte zucken und fließen über die Platte an der Vorderseite. Er hat eine Tastatur und einen klobigen, grünschwarzen Monitor, auf dem unscharfe Buchstaben zu sehen sind. Penumbra schaut ihn fasziniert an. Claude hat ihn selbst gebaut.
Ein Mensch, der einen Computer baut, das gibt es eigentlich gar nicht.
»Wie geht’s dir?«, fragt Claude. »Ich meine … was machst du so?«
Penumbra setzt sich und erzählt ihm alles. Er erzählt ihm von seinem Job in der Bibliothek, von dem Techne Tycheon , von seiner Odyssee in San Francisco, von der William Gray .
»Das ist fantastisch«, sagt Claude. »Das passt zu dir, Partner. Du hast deine Bestimmung gefunden. Zigarette?«
Penumbra winkt ab und schaut seinem alten Zimmergenossen dabei zu, wie er sich selbst eine ansteckt.
»Ein Schiff, begraben unter der Stadt«, sagt Claude. »Irre.« Er stößt langsam den Rauch aus und klopft die Ziga rette in einem Aschenbecher ab, auf dessen Seite STAR TREK steht.
»Ein bedauerliches Resultat«, räumt Penumbra ein. »Aber wenigstens ein Resultat. Besser, man kennt die Wahrheit, glaube ich, als …«
»Moment«, sagt Claude plötzlich. Er klopft mit dem Finger auf den Aschenbecher. Pock, pock pock pock. » BART . Genau. Ich habe an den Berechnungen mitgearbeitet. Fahrgastzahlen, regionale Kapazität, Streckenführung et cetera. Ich habe noch die … einen Moment …« Er steht auf, beugt sich nach unten, kramt in einem Stapel herum. Ordner rutschen tektonisch auf den Teppichboden. Die Katze jault. »Irgendwo habe ich es … Netzpläne, Fahrpläne et cetera … aha!« Er reckt triumphierend eine Mappe in die Höhe. » BART !«
»Wer ist … Bart?«
» BART, Partner. B-A-R-T , Bay Area Rapid Transportation. Das öffentliche Nahverkehrssystem. Das ist gerade im Bau. Hast du sicher gesehen … die ganze Stadt ist aufgerissen.«
»Natürlich. BART .«
»Hier … schau dir das an.« Claude klappt die Mappe auf und zeigt Penumbra eine geometrische Annäherung der Bay Area. Da ist die lange Halbinsel, der klobige Knauf der Stadt und auf der anderen Seite der Bucht der gezackte Küstenbogen von Oakland und Berkeley. Die Umrisse sind schwarzweiß gezeichnet, aber quer durch die Landschaft ziehen sich Bündel farbiger Linien: rote, gelbe, blaue und grüne. Claude zeigt auf die Stelle, wo das gesamte Bündel San Francisco durch schneidet. »Das heben sie jetzt aus. Ich meine, genau jetzt.«
»Und da hast du mitgearbeitet? An der Planung?«
»Wie gesagt, Berechnung der Fahrgastzahlen. Verschiedene Szenarios. Hohe Benzinpreise, niedrige Benzinpreise, thermonuklearer Krieg et cetera.«
»Claude.« Penumbra strahlt. »Also ist doch noch ein Psychohistoriker aus dir geworden.«
»Ha! Du hast die Foundation-Trilogie gelesen. Ich wünschte, die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, würden das zu würdigen wissen … Nicht gerade haufenweise Asimov-Fans in meiner Abteilung. Egal, der Punkt ist, ich höre jede Menge Geschichten von den Ausschachtungsarbeiten. Die stolpern immer wieder über irgendwas. Gewölbe mit alten Flüsterkneipen … Kellerräume, von denen die Leute, die da wohnen, keine Ahnung hatten.«
Penumbra macht große Augen. »Schiffe auch?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich kann dir nur sagen, dass sie den Tunnel …« Er zeigt auf das regenbogenfarbige Bündel, wo es einen Punkt kreuzt, neben dem EMBARCADERO steht. »… genau hier durch aufgeschüttetes Land treiben. Und zwar langsam … Die müssen da sehr vorsichtig graben.«
Penumbra raucht der Schädel. »Wie kriege ich raus, ob das Wrack der William Gray auf ihrem Weg liegt?«
»Da kann ich dir nicht weiterhelfen. Ich kann dir sagen, dass am 1. Januar 1975 zweihundertachtundfünfzigtausend Leute mit dem Ding fahren werden. Aber über versunkene Schiffe weiß meine Prognose nichts.« Er zieht an seiner Zigarette. »Ich dachte, der alte Kram ist dein Fachgebiet, Partner.«
Penumbra muss an ihr wackeliges Bücherregal denken: seine Klassiker auf der einen, Claudes Science-Fiction auf der anderen Seite. Ihm fällt auf, dass das ein Bild ist, das sich gut machen würde auf einem Umschlag der Bücher seines alten Zimmergenossen: ein gespenstisches Schiffswrack, das unter einer futuristischen Stadt auftaucht …
Er lächelt. »Du hast recht. Das kriege ich selbst raus.«
***
Die San Francisco Public Library ist eine blasse Marmorfestung, die durch eine trostlose, mit Palmen gesäumte Promenade mit dem gegenüberliegenden Rathaus verbunden
Weitere Kostenlose Bücher