Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
kräftigen Seil und einigen komplizierten Knoten an seinen Stuhl band.
BARNABY lernt LIAM kennen
»War das ein Unfall?«, fragte er Liam, als sie sich so weit angefreundet hatten, dass sie sich persönliche Fragen stellen konnten, was schon nach wenigen Stunden der Fall war. »Dass du keine Hände hast, meine ich.«
»Nein, ich bin so auf die Welt gekommen«, antwortete Liam. »So was passiert halt. Manche Menschen haben kein Gehirn, wie zum Beispiel Denis Lickton da drüben.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf einen überdurchschnittlich großen Jungen, der sich gerade angestrengt mit seinen Schuhen unterhielt. »Andere haben keinen Geschmack«, fügte er noch hinzu und blickte zu einem zappeligen Jungen namens George Raftery, der einen Hut wie Robin Hood auf dem Kopf trug. »Und ich, ich habe keine Hände. Eine Weile habe ich es mit künstlichen Händen versucht, aber ich konnte mich nicht an sie gewöhnen. Diese Haken sind viel praktischer. Ich kann alles damit machen. Nur nicht in der Nase bohren.«
Barnaby bewunderte die funkelnden Haken. »Sie glänzen so schön«, sagte er.
»Ja, ich poliere sie jeden Morgen, bevor ich aus dem Haus gehe«, erklärte Liam, der sich freute, dass Barnaby auf so etwas achtete. »Ich möchte gern gut aussehen. Und ich weiß ja gar nicht, wie es anders ist, deshalb stören mich die Haken überhaupt nicht. Außer dass ich nicht Basketball spielen kann. Dabei könnte ich das bestimmt sehr gut.«
»Ich wäre auch ein genialer Basketballspieler«, sagte Barnaby. »Ich müsste nur mit dem Ball nach oben schweben und ihn im Korb versenken. Ich würde jedes Mal drei Punkte machen.«
»Schwebst du schon immer?«
»Ja, seit meiner Geburt.«
»Nicht übel«, sagte Liam McGonagall, und schon waren die beiden Freunde geworden. Ganz einfach.
Wochen vergingen, und die tägliche Routine lief immer gleich. Barnaby kam zur Schule, kurz vor dem Startschuss, der den Unterrichtsbeginn signalisierte, und wurde augenblicklich an seinen Stuhl gefesselt. Dort blieb er dann den ganzen Tag sitzen und gab sich große Mühe, nicht beleidigt zu sein, wenn die anderen Jungen auf ihm herumhackten. Gleichzeitig pflegte er seine Freundschaft mit Liam McGonagall.
»Gefällt es dir in der Schule?«, fragte ihn Alistair eines Abends beim Essen. Er schaute hinauf zu seinem Sohn, während er den Rhabarberpudding löffelte, mit dessen Zubereitung Eleanor den ganzen Nachmittag verbracht hatte und der fast genießbar war, wenn auch nicht ganz.
»Nein, es ist scheußlich dort«, antwortete Barnaby. »Es riecht nach verfaultem Obst, die anderen Kinder sind gemein zu mir, und wir lernen nie etwas Richtiges. Heute haben wir eine Schulstunde lang die Könige und Königinnen von Neuseeland durchgenommen, dann haben wir gelernt, wie man Kartoffelbäume pflanzt, und man hat uns beigebracht, dass die Hauptstadt von Italien Jupiter heißt.«
»Aber es ist Barcelona, oder?«, fragte Alistair, der zwar sehr gut rechnen konnte, aber in Geographie nicht besonders bewandert war. (Er war natürlich noch nie aus Australien herausgekommen, weil er glaubte, dass normale Menschen nicht den Wunsch haben, die Welt zu sehen. Er war sogar noch nie aus dem Staat New South Wales herausgekommen. Im Grunde nicht einmal aus Sydney.)
»Mrs Hooperman-Hall hat angekündigt, dass sie einen Buchclub ins Leben rufen möchte, und wollte wissen, ob wir irgendwelche Lektürevorschläge haben. Ich habe Der Mann mit der eisernen Maske vorgeschlagen, und sie hat gesagt, nein, das geht nicht, solche Bücher sind für sie viel zu kompliziert, und sie kann nicht schlafen, wenn ihr Kopf so vollgestopft ist mit Verschwörungstheorien. Also habe ich Bobby Brewster der Busfahrer vorgeschlagen, aber da meinte sie, dass sie eigentlich nur Bücher über Vampire liest, weil die so originell und stimulierend sind.«
»Was heißt stimulierend?«, wollte Melanie wissen, den Blick nach oben gerichtet. Henry prustete in seinen Pudding, und Captain W. E. Johns klappte sich die Ohren übers Gesicht.
»Melanie!«, rief Eleanor entsetzt. »Das Wort darfst du nicht verwenden. Ich lasse nicht zu, dass irgend jemand hier im Haus stimuliert wird, verstanden? Das ist nicht normal.«
»Ich wurde noch nie in meinem Leben stimuliert«, ergänzte Alistair. »Und ich bin schon über vierzig.«
»Ich hasse die Schule«, murmelte Barnaby. »Es gibt nur einen Jungen, mit dem ich mich verstehe. Statt Händen hat er Haken.«
»Hervorragend«, meinte Henry.
»Das ist nicht
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