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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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verhärteten Kinder leid, und ich schob das Geld wieder durch den Briefschlitz hinaus, und Sie können sich vorstellen, dass sie außer sich waren, diese geizigen Junkies, da gab es nicht viel Schnauben und Stöhnen, nein, sie schnappten sich die Bezahlung und liefen um die Wette die Treppe hinunter. Was für Schwachköpfe. Aber auch das ist lange her. Zumindest steht »Bernhard Hval, Dr.« an der Tür, für den, der lesen kann, ein schmales Kupferschild, das ich nun nicht mehr sechzehnmal am Tag putze. Diese Unart habe ich abgelegt. Sagte ich Unart? Habe ich früher auch schon das Wort Unart benutzt? Zum Teufel! Da können Sie sehen, wie weit es mit mir gekommen ist. Unart ist kein Wort aus unserer Sprache. Unart, das ist im Bett rauchen, laut pfeifen, sich die Finger ablecken. Wir sagen Zwang . Sigrid hatte Unarten, das muss einmal gesagt werden. Ich hatte einen Zwang. Unarten und ein Zwang passen nur schlecht zusammen. Doch genau diesen Zwang habe ich abgelegt, den Zwang, das Schild sechzehnmal am Tag zu putzen. Aber dazu brauchte es sechzehn Jahre. Doch den Zwang zur Wiederholung werde ich nicht überwinden. Es gehört zu unserer Natur, dass wir uns wiederholen, ja genau, uns selbst wiederholen. Er ist ein Teil unseres Repertoires, die Wiederholung ist die erste Geige in unserem persönlichen Orchester. Ich begann mich bereits 1963, während der Kubakrise, darauf vorzubereiten. Während die anderen auf dem Hof aus Angst vor Atombomben und noch Schlimmerem Konservendosen hamsterten und dann, als sich herausstellte, dass der Konflikt im Großen und Ganzen gelöst war, jahrelang von diesen eingemachten Frikadellen leben mussten, das war nur eine kleine Schlacht in meinem eigenen Weltkrieg, aber immerhin. Das erste Jahr ging ich auf fünfzehnmal am Tag herunter, das nächste auf vierzehnmal, bis ich es nur noch einmal am Tag machte, putzte und putzte, und vielleicht glaubte ich ja, dass mein Name weiterhin an der Tür glänzen würde, doch das tat er nicht, er verblich und verschwand. Der Zwang war nicht mehr da. Er hatte sich von meinen Fingern und meiner Seele gelöst. Siebzehn Jahre dauerte das. Warum also nicht einfach das Schild abschrauben und in den Müll werfen? Dann hätte ich den Rest meines Lebens damit verbracht, nach dem Schild zu suchen, bewaffnet mit einem Putzlappen. Und hätte ich es gefunden, hätte ich es wieder an die Tür gehängt, es festgeschraubt und es sechzehnmal, nein hundertmal zusätzlich geputzt, um das nachzuholen, was versäumt wurde. Kennen Sie mich jetzt etwas besser? Wahrscheinlich nicht. Meine Vernunft ist nicht die Ihre. Meine Gesetze stehen nicht in Ihrem Gesetzbuch. Mein Zwang ähnelt nicht Ihren Gelüsten, die einen geraden Weg beschreiten, auf das Objekt der Lust zu, auf Frauen, Männer, Obst, Räusche, Äpfel, Kunst, Autos, während mein Zwang auf der Stelle tritt und nie zufriedengestellt wird. Warum glückte dann der Rückzug von der Tür? Weil mein Name verschwand. Die Welt um mich herum muss verschwinden, wenn ich meinen Zwang loswerden will. Und nicht nur die Welt, ich muss ebenfalls verschwinden. Alles, was überflüssig ist, muss verschwinden. Erst dann kann ich aufatmen. Ich bin also auf dem großen Rückzug. Nach vorn! Und während ich das schreibe, höre ich, wie die Stunden in der Standuhr hinter mir geschlagen werden, das Pendel, das Lot, die Zeiger, die sich um die Zahlen drehen. Bald werden sich die Sekunden losreißen und zu einer leeren, gewaltigen, lautlosen Ewigkeit werden. Wie sagte doch mein Mentor an der Universität, Herr Professor Lund in Person, später Direktor des Rikshospitals: Es ist ein Unterschied, gehärtet oder verhärtet zu sein, Bernhard Hval. Ich bin beides. Bevor ich ein für alle Mal aufhörte, aus dem Haus zu gehen, nach der Begegnung mit König Olav, pflegte ich einen Spaziergang um die Vigeland-Anlage zu machen, diese hässlichen Statuen und Monumente waren nämlich das Einzige, was mich in einigermaßen gute Laune versetzen konnte. Ist genug gesagt? Hätte mir doch nur jemand einen ganzen Park gegeben! Eines Vormittags, Ende Mai, ging ich am Frognerbad vorbei, um den Monolithen von Nordosten her anzugreifen. Doch es kam mir etwas anderes in den Weg, ein Mädchen. Sie lief barfuß über den warmen Asphalt, und plötzlich blieb sie stehen, was ich auch tat. Das Mädchen blieb also stehen und versuchte den Fuß heranzuziehen. Der hing fest, nicht am Asphalt, sondern an einem Kaugummi, den jemand ausgerechnet genau hier ausgespuckt hatte.

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