Die Unschuld der Rose
Lächeln.
„Vielen, vielen Dank. Sie werden es nicht bereuen. Während der Reise können wir ja ein bisschen plaudern.“
Plaudern? Ungläubig schaute er sie an. Sollte er sie darauf hinweisen, dass dieses Wort in seinem Vokabular nicht existierte? Dann erst wurde ihm klar, dass sie absolut keine Ahnung hatte, was sie erwartete.
Wenn er mit ihr fertig war, würde sie eher schreien als plaudern.
„Ich freue mich, Ihnen die einzigartige Schönheit meines Landes zu zeigen“, murmelte er mit einschmeichelnder Stimme. „Ich werde die Gelegenheit nutzen und Sie an einige Orte führen, die Sie bestimmt sehr interessieren.“
Einer davon könnte durchaus mein Schlafzimmer sein, ging es ihm durch den Kopf. Es stimmte zwar, dass er Privates und Geschäftliches strikt voneinander trennte. Grace Thacker konnte er allerdings nicht zum Geschäftlichen zählen. Ihre Firma war so gut wie erledigt. Und das hieß, dass er seine Aufmerksamkeit nun dem Vergnügen zuwenden konnte.
„Auf eine Besichtigungstour bin ich nicht vorbereitet.“
„Wir werden die fazenda besuchen, die Kaffeeplantage, die Sie beliefert. Sie sollten mehr über das Produkt erfahren, das Sie verkaufen.“ Er beobachtete sie konzentriert, doch sie lächelte nur. Und ihr Lächeln zauberte Grübchen auf ihre Wangen, die sie noch jünger wirken ließen.
„Was für eine wunderbare Idee! Ich freue mich darauf, die Kaffeebauern kennenzulernen. Mein Vater hat damals darauf bestanden, die Verhandlungen alleine zu führen.“
Rafael ignorierte die Grübchen und die plötzlich in seinen Lenden aufflackernde Hitze. Am liebsten hätte er laut gelacht.
So leicht ließ sie sich also nicht aufs Glatteis führen. Trotz dem musste sie sich doch fragen, wie viel er über sie wusste. Aber der Ausdruck ihrer Augen wirkte völlig arglos, nicht das geringste Anzeichen von Schuldbewusstsein. Oder Besorgnis. Miss Thacker stand einfach nur da in ihrem perfekt sitzenden Kostüm und balancierte auf zehn Zentimeter hohen Absätzen. Sie tat, als würde sie in ihrer Freizeit regelmäßig durch den brasilianischen Regenwald wandern.
Ganz offensichtlich hatte sie keine Ahnung, was es bedeutete, bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit durch den Dschungel zu marschieren.
Fünf Minuten, dachte er mit grimmiger Genugtuung. Nach fünf Minuten würde sie wegen der Schlangen und Insekten kreischen und sich an ihm festklammern. Ohne ihre Absätze, das Kostüm und den Lippenstift wäre sie verletzlich und hilflos.
„Dann organisiere ich für morgen eine Tour. In der Zwischenzeit wird eine meiner Angestellten Sie zu Ihrem Zimmer bringen, damit Sie etwas Bequemeres anziehen können. Ihre Tasche befindet sich bereits dort. Wir sehen uns zum Abendessen. Maria wird uns eine lokale Köstlichkeit zubereiten.“ Er wartete darauf, dass sie in böser Vorahnung erschauerte, aber sie lächelte immer noch.
„Wundervoll. Vielen Dank. Sie sind sehr freundlich.“
Freundlich?
Über die Jahre hinweg hatten Frauen ihn vieles genannt, aber nie freundlich. Rafael suchte auf ihrem Gesicht nach einem Hinweis auf Ironie. Aber er sah nur ihr offenes, aufrichtiges Lächeln.
Ihre Freude zerrte an seinen Nerven. Wenn er mit ihr fertig war, würde sie nicht mehr lächeln. Ihre Kleidung wäre feucht, sie hätte Blasen an den Füßen und ihre Haut wäre übersäht mit Insektenstichen. Dann würde sie zweimal nachdenken, bevor sie jemanden über den Tisch zog.
Wenn sie jedoch ihre Karten richtig ausspielte, würde er ihr vielleicht ein wenig Trost anbieten.
Zufrieden damit, die Situation so gut unter Kontrolle zu haben, konzentrierte er sich auf die Telefonate, die er als Nächstes zu erledigen hatte.
Sie folgte der Haushälterin Maria die gewundene hölzerne Treppe nach oben und in das Gästezimmer. Nach dem Meeting war Grace sich unschlüssig. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, weil ihre zehn Minuten Deadline aufgehoben worden waren. Noch mehr Zeit in Rafael Cordeiros Gegenwart zu verbringen, weckte Besorgnis in ihr.
Dass er hart und rücksichtslos verhandelte, hatte sie erwartet. Schließlich eilte ihm ja dieser Ruf voraus. Womit sie nicht gerechnet hatte, waren die Kälte, die von ihm ausging, und seine einschüchternde Präsenz.
Vielleicht ist es auch meine Schuld, überlegte sie traurig. Die Zahlen waren alles andere als beeindruckend. Und er war kein Mann, der bei Naivität oder Unerfahrenheit Nachsicht walten ließ.
Immerhin blieb ihr jetzt mehr Zeit. Grace bekam die Chance, ihm von
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