Die Unschuld der Rose
ihren Plänen für die Zukunft zu erzählen.
Eigentlich sollte sie glücklich sein, nicht nervös.
Noch während sie darüber nachdachte, warum er seine Meinung so plötzlich änderte, hatten sie das Ende der Treppe erreicht. Vor ihnen lag ein großer Raum, der sich an zwei Seiten zum Regenwald hin öffnete.
Grace erkannte, dass sie sich auf Höhe der Baumkronen befanden, und trat auf den hölzernen Balkon hinaus, der das gesamte Zimmer umgab. Wie verzaubert wandte sie sich zu der Haushälterin um. „Es ist wunderschön. Man fühlt sich wie in einem Baumhaus.“
Einem Siebensternebaumhaus.
Obwohl es naturnah gebaut worden war und ein einzigartiges Regenwalderlebnis bot, hatte der Innenausstatter nicht an Luxus gespart. Dominiert wurde das Zimmer von einem großen Bett, dessen Kopfteil komplizierte feine Muster schmückten. Auf den cremefarbenen Seidenlaken lag eine dekorative Überdecke aus Samt. Kissen in unzähligen Grün tönen vervollständigten das Bild. Fast der gesamte Holzboden war von einem gewebten Teppich bedeckt, und eine angenehme Brise spielte mit den dünnen hellen Vorhängen.
Die Frau erwiderte etwas in einer Sprache, die Grace für Portugiesisch hielt. Sie lächelte verlegen. „Es tut mir leid, ich spreche kein Portugiesisch.“
„Ich habe gesagt, Ihre Kleider sind bereits ausgepackt worden. Wenn Sie noch etwas brauchen, fragen Sie einfach.“ Ihre Stimme klang sanft, wenn auch mit starkem Akzent.
„Vielen Dank“, entgegnete Grace nickend und blickte an sich herunter. „Ich werde mich frisch machen.“ Sie fühlte sich verschwitzt und unbehaglich. Im Augenblick wollte sie nichts sehnlicher, als sich umzuziehen. Dabei hatte sie ihren Koffer nur für zwei Übernachtungen in Rio de Janeiro gepackt.
Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass Rafael Cordeiro sie einladen könnte. Sie spürte ein Gefühl von Optimismus in sich aufsteigen. Hatte sie nicht genau darauf gehofft? Mehr Zeit, um ihn von der Verlängerung des Kredits zu überzeugen? Die hatte sie nun bekommen.
„Das Abendessen wird in zwei Stunden auf der Terrasse serviert. Falls Sie schwimmen gehen möchten, können Sie das im Pool beim Wasserfall tun. Folgen Sie dem linken Pfad. An der Gabelung halten Sie sich rechts.“ Maria lächelte unsicher. „Rufen Sie mich, wenn Sie noch etwas brauchen.“
„Ich habe alles, vielen Dank.“
Die Abgeschiedenheit des Zimmers erschien ihr verlockender als ein Pool, der vielleicht noch andere Wesen beherbergte. Deshalb entschied Grace, das Angebot, schwimmen zu gehen, zu ignorieren.
Sie schlüpfte aus ihrem Kostüm und duschte ausgiebig. Bei der Kleidungsfrage boten sich ihr nicht viele Möglichkeiten. Neben dem roten Badeanzug hatte Grace nicht viel dabei: Das förmliche Kostüm, die Cargohose, die sie im Flugzeug getragen hatte, und ein schlichtes Leinenkleid, das sie im Hotel in Rio hatte anziehen wollen. Drei Outfits und drei Paar Schuhe. In Anbetracht seiner Kommentare schieden die High Heels sofort aus. Auch die leichten Wanderschuhe empfand Grace als unpassend, somit blieben nur die flachen Ballerinas.
Es war ein wunderbares Gefühl, nach dem kratzigen Kostüm das leichte Kleid anzuziehen. Als sie durch das gläserne Atrium hinaus auf die schattige Terrasse trat, hatte Grace ihr Selbstvertrauen längst wiedergefunden.
Es hielt genau so lange, bis sie Rafael Cordeiro am Tisch sitzen sah.
Er trug nun ein dunkles Hemd und eine dünne Hose. Im Schein der untergehenden Abendsonne wirkte er sehr männlich und sexy.
„Setzen Sie sich. Ein Drink? Caipirinha?“
Skeptisch schaute sie auf den frischen exotisch aussehenden Cocktail in seiner Hand. „Besser nicht.“ Sie lächelte Maria an, die in der Nähe bereitstand. „Vielleicht etwas Nichtalkoholisches? Ein Saft wäre schön.“
„Sie wollen wohl nicht die Kontrolle verlieren?“
Grace wartete mit ihrer Antwort, bis der Drink vor ihr stand und sie wieder alleine waren. „Sie sind sehr wütend auf mich, nicht wahr?“ Ihr gefiel die angespannte Atmosphäre nicht. Sie direkt anzusprechen, war bestimmt der beste Weg. „Ich weiß, ich habe Fehler gemacht. Aber das tut jeder, der ein Unternehmen gründet.“
„Tun sie das?“
Er war so selbstbeherrscht. Auf seinem attraktiven Gesicht waren absolut keine Gefühle sichtbar. Sie musterte ihn mit wachsender Hilflosigkeit.
Wie kommunizierte man mit jemandem wie ihm? Einem Mann, der sein Leben über Zahlen und Daten definierte? Hatte er wirklich gar keine Gefühle? Dann fiel ihr
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