Die Unschuld der Rose
Erinnerungen. Grace fragte sich, ob hinter seinen bissigen Kommentaren mehr steckte. Seine Miene ließ auf nichts schließen. „Auf jeden Fall habe ich dann beschlossen, noch mehr Cafés mit demselben Konzept zu eröffnen. Allerdings wollte die Bank einem unerfahrenen achtzehnjährigen Mädchen keinen weiteren Kredit bewilligen. Weil Ihre Gesellschaft in junge Firmen investiert, die wiederum brasilianische Unternehmen unterstützen, habe ich mich an Sie gewandt.“ Und der Kredit, den er ihr gegeben hatte, hatte ihr Leben verändert.
Rafael nippte an seinem Weinglas. „Ihr erstes Café war also profitabel?“
„Ja.“
„Und jetzt schreiben Sie rote Zahlen“, sagte er im Plauderton. „Das muss … sehr enttäuschend sein.“
„Dieses Mal habe ich eine Firma mit der Modernisierung der Räume beauftragt. Die Rechnung fiel höher aus als veranschlagt. Dieser Fehler wird mir nie wieder unterlaufen.“
„Nein, das wird er nicht.“
Die angespannte Atmosphäre ertrug Grace nicht länger. „Sie werden also bei Ihrem Nein bleiben? Und das nur, weil ich noch keinen Gewinn vorweisen kann. Aber verloren habe ich Ihr Geld ja gar nicht. Sie sind Milliardär, dieser Kredit ist für Sie vollkommen unwichtig. Aber mir und den Menschen, die für mich arbeiten, bedeutet er alles.“ Sie schob ihren Teller beiseite. „Warum haben Sie mich zum Bleiben eingeladen und angeboten, die Kaffeefarm zu be sichtigen, wenn Sie doch nur Nein sagen?“
Er lächelte nicht. „Sie haben immer noch Zeit, meine Meinung zu ändern, Miss Thacker. Außerdem weiß ich, dass die Familie, die die fazenda betreibt, Sie gerne kennenlernen möchte. Sie wollen zu gern hören, was Sie zu sagen haben.“
„Was ich worüber zu sagen habe?“, fragte sie verständnislos. Er tat fast so, als sollte sie vor Gericht eine Zeugenaussage machen.
„Über Ihre Geschäfte, Miss Thacker. Da die fazenda Ihr einziger Zulieferer ist, sind die Gewinne beider Firmen natürlich eng miteinander verbunden.“
„Das stimmt.“
Worauf wollte er eigentlich hinaus? Grace fiel es immer schwerer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Stattdessen ließ sie sich von unzähligen unwichtigen Einzelheiten faszinieren. Wie von den dunklen Haaren, die aus dem Kragen seines Hemdes hervorlugten, den Bewegungen seiner Hände und von seinem Mund. Seine sinnlichen Lippen zogen Grace’ Aufmerksamkeit immer wieder auf sich. Plötzlich erinnerte sie sich an die Worte des Piloten. Rafael Cordeiro zog die Frauen in Scharen an.
Zunächst hatte sie das als natürliche Begleiterscheinung von Macht und Reichtum verstanden. Inzwischen erkannte sie jedoch , dass der Grund ein völlig anderer war. Es war etwas, dass mit dem innersten Wesen dieses Mannes zu tun hatte.
Rafael Cordeiro war ein heißblütiger Brasilianer. Er strahlte Sex-Appeal und männliche Überlegenheit aus. Selbst wenn er arm gewesen wäre, hätte er anziehend auf Frauen gewirkt. In seiner Gegenwart spürte sie die Unterschiede zwischen ihm und sich mit fast schmerzhafter Klarheit. Grace wurde sich ihrer Weiblichkeit bewusst.
Sie war so versunken in seinen Anblick, dass sie hochschreckte, als Maria eine Tasse Kaffee vor sie stellte. Die Tasse an den Mund hebend, atmete Grace das wundervolle Aroma ein und seufzte. „Das muss der beste Duft der Welt sein.“
„Es freut mich, dass Sie so denken. Dieser Kaffee stammt von der fazenda, die auch Sie beliefert.“
Genießerisch trank sie einen Schluck. „Er schmeckt köstlich. Ich freue mich wirklich auf einen Besuch.“ Vielleicht schlossen die Kaffeebauern sich ihrer Bitte um die Verlängerung des Kredits an. Immerhin mussten sie einen neuen Käufer finden, wenn Café Brazil Konkurs anmeldete.
„Gut.“
„Hm. Wir haben die ganze Zeit über mich geredet, was sehr langweilig ist.“ Sie stellte die Tasse zurück auf den Tisch. „Was ist mit Ihnen? Sind Sie in Brasilien geboren und aufgewachsen?“
„Ich verstehe nicht, was meine Herkunft mit der Zukunft Ihres Unternehmens zu tun haben könnte“, erwiderte er sanft. „Hören Sie auf meinen Rat, und konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche.“
„Ich war nur neugierig, das ist alles.“
„Und ich spreche nie über mich. Vergessen Sie das nicht.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung stand er auf. Grace wurde den Eindruck nicht los, dass sie ihn mit ihrer harmlosen Frage mehr als verärgert hatte.
„Warum eigentlich nicht? Glauben Sie, ich würde etwas herausfinden, weswegen Sie mich anschließend umbringen
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