Die Unschuld der Rose
müssten?“ Sie machte diesen Scherz in der verzweifelten Hoffnung, Cordeiro zum Lächeln zu bringen. Doch auf seinem Gesicht spiegelte sich nur Zynismus. Grace’ Lächeln erstarb. „Ich bin keine Journalistin und auch keine Plaudertasche, Mr. Cordeiro. Außerdem glaube ich kaum, dass irgendein Boulevardblatt an meinem Besuch hier interessiert wäre.“
Sein gesamter Körper war angespannt. Anscheinend verabscheute er dieses Thema mehr als alles andere.
„Wir brechen früh auf. Ziehen Sie etwas an, das schnell trocknet. Im Regenwald ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie nass werden. Sehr nass.“
„Also keine High Heels.“ Sie seufzte, als sie die harten Linien um seinen Mund sah.
Beim Anblick seines grimmigen Gesichtsausdrucks zog sich etwas in ihrem Innern zusammen. Sie hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging. Aber sicherlich war es nichts Gutes.
In dieser Nacht schlief Grace schlecht. Das Gespräch hatte sie sehr beunruhigt. Außerdem war sie von einem lebendigen Wald umgeben. Bei all den Geräuschen, dem Kreischen, Heulen, Zirpen und sogar einem gelegentlichen Knurren, sehnte sie sich nach einer festen Barriere zwischen ihr und den Baumwipfeln. Und als Grace endlich müde wurde, hielten die Gedanken an einen bestimmten arroganten brasilianischen Milliardär mit einer quälenden Vergangenheit und einer rätselhaften, alles kontrollierenden Persönlichkeit sie wach.
Irgendwann gab sie es auf, Schlaf zu finden, und schlenderte auf den Balkon hinaus. Von hier aus konnte sie den Teil des Hauses überblicken, in dem sich Rafaels Büro befand. Durch das gläserne Dach hindurch sah sie ihn. Selbst in der Dunkelheit der Nacht saß er vor seinem Computer, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, die Augen auf den Monitor gerichtet. Die Ärmel seines Hemdes waren jetzt bis über die Ellenbogen aufgekrempelt, das Kinn von einem dunklen Bartschatten umgeben.
Er mochte sich im Dschungel verstecken, mit der Welt war er nach wie vor verbunden.
Warum schlief er nicht?
Was war der Grund für die Härte, die sie in seinen Augen schimmern sah?
Fragen über Fragen stiegen in ihr auf, während sie ihn beobachtete. Schließlich zog sie sich mit dem unangenehmen Gefühl zurück, unerlaubt in einen privaten Teil seines Lebens eingedrungen zu sein. Was ging es sie an, wenn er sich niemals ausruhte?
Sie ging zurück ins Bett und verdrängte die Fantasien über einen Mann mit schwarzen Haaren und markantem Profil.
Als sie am Morgen aus unruhigem Schlaf erwachte, regnete es. Ein beständiger Nieselregen fiel auf die Bäume und dämpfte die Geräusche der Außenwelt. Die Luft war trotzdem immer noch drückend heiß.
Gleich nach dem Aufstehen schlüpfte Grace in die Cargohose und ein schlichtes weißes T-Shirt. Nachdem sie die Wanderschuhe angezogen hatte, band sie sich die Haare zu einem Pferdeschwanz.
Was würde er wohl sagen, fragte sie sich, wenn er wüsste, dass ich mich in bequemen Schuhen und Hosen viel wohlerfühle als in Kostümen und hohen Absätzen?
Wahrscheinlich würde er ihr nicht glauben. Seine Vorurteile gegenüber Frauen schienen tief verwurzelt zu sein. Weshalb eigentlich?
Fest entschlossen, positiv zu denken, stellte sie sich vor den Spiegel und richtete einige aufmunternde Worte an sich selbst.
Ihr blieb ein ganzer Tag, um seine Meinung zu ändern und ihn zu überzeugen, dass die Verlängerung des Kredits gut für alle Beteiligten wäre. Warum er allerdings so sehr um diese für ihn doch wohl lächerliche Summe besorgt war, leuchtete Grace nach wie vor nicht ein.
Ging es ihm wirklich nur um das Geld? Oder lauerte in den dunklen Schatten noch etwas anderes? Etwas, das er mit Fremden nicht teilte und ihn nachts wach hielt?
Rafael telefonierte gerade, als Maria sie in sein Büro führte. Er sprach in kurzen abgehackten Sätzen. Seine Befehle erteilte er in so autoritärem Tonfall, dass Grace die Person am anderen Ende sehr leidtat.
Ob irgendjemand gerne für ihn arbeitete? Oder verbrachten alle Angestellten ihr Leben in nervöser Anspannung?
Wenn sie ein Meeting mit ihrem Team anberaumte, zogen immer alle die Schuhe aus und kuschelten sich mit einer Tasse Kaffee auf Sofas. Jeder sagte seine Meinung, und es wurde laut diskutiert.
Sie verzog das Gesicht. Allerdings florierte ihr Unternehmen auch nicht gerade.
Vielleicht sollte sie sich einen strengeren Führungsstil angewöhnen.
Er beendete das Telefonat und sah sie an. „Was? Kein Kostüm? Keine Stöckelschuhe?“
Offensichtlich war
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