Die Unschuld der Rose
das Thema fallen zu lassen.
„Liebe“, brachte sie stockend hervor. „Du brauchst Liebe. Ich glaube nicht an deinen Ruf oder an deine Selbstdarstellung. Ich habe erlebt, wie warmherzig du sein kannst. Und ich erkenne die Leidenschaft in deinen Augen, wenn du von Brasilien sprichst.“
Er beugte sich vor, den Blick fest auf ihren Mund gerichtet. „Ich bestreite nicht, leidenschaftlich zu sein. Und ich erlaube einer Frau gerne, mich auf jede erdenkliche Weise zu lieben.“
Als Grace die arrogant hochgezogenen Brauen betrachtete, während er sprach, begriff sie, dass es niemals einfach sein würde, ihn zu lieben.
Körperlich, ja, das wäre kein Problem. Auch ohne die Gerüchte hätte sie gewusst, dass er ein heißblütiger Mann war. Jetzt hatte er seine Barrieren allerdings wieder aufgerichtet. Und er erlaubte ihr nicht den allerkleinsten Einblick in seine Seele.
Verwirrt von der Intensität ihres Wunsches, ihm nahe zu sein, beschloss sie, das Thema zu wechseln. „Bringst du oft Menschen hierher?“
„Das kommt darauf an, wer sie sind und was der Grund ihres Besuchs ist. Die Aktivitäten, die hier zur Verfügung stehen …“, er lächelte, „… sind begrenzt.“
„Hast du das Haus entworfen?“ Es fiel ihr schwer, das Gespräch in neutrale Bahnen zu lenken. Denn sie spürte deutlich, dass er überhaupt nicht reden wollte. Und er sah sie auf eine Weise an, die … Am liebsten hätte Grace sich über den Tisch gelehnt und Rafael angefleht, sie zu küssen und zu berühren, wie er es im Regenwald getan hatte.
„Das Haus?“, fragte er, wobei sein Blick immer noch auf ihrem Mund ruhte. „Ja. Ich wollte etwas, das unzugänglich und privat ist.“
„Weil Menschen dich stören. Hast du eine Familie?“
„Ich gebe keine Interviews, Grace. Weder Kollegen noch Journalisten oder … Geliebten.“ Er betonte das Wort, als wollte er den Klang testen.
Ihr Herz pochte schneller. „Aber du kannst dein Leben nicht völlig isoliert führen.“
„Ich habe viel mit Menschen zu tun.“ Er sah ihr in die Augen. „Falls sie mich interessieren.“
Damit meinte er alle, die ihm Geld einbrachten oder sein Bett wärmten, oder? Wollte er sie schockieren? Oder ihr einen Vorschlag machen?
Hitze stieg in ihr auf, und ein süßes Sehnen umfing ihren Unterleib. „Es muss schön sein, der Welt entfliehen zu können. Aber du hörst nie auf zu arbeiten.“
Fragend zog er die Augenbrauen hoch. Jetzt wusste er, dass sie ihn gestern Nacht beobachtet hatte. Grace hatte sich ge rade verraten.
„Ich konnte nicht gut schlafen“, gestand sie hastig, „und bin auf den Balkon gegangen. Da habe ich dich gesehen. Bei der Arbeit am Computer. Wie du telefoniert hast.“ Schlaflos. Getrieben. Woran hast du gedacht, allein in der Dunkelheit mit nur einem flackernden Monitor zur Gesellschaft? Welche Dämonen rauben dir den Schlaf?
„Es gab Dinge zu erledigen.“
Die Kürze und Kälte seiner Antwort überzeugten sie nicht. Grace spürte, wie er sich zurückzog. In emotionaler Hinsicht hatte sich etwas verändert. Die dünne Verbindung zwischen ihnen war zerrissen. Grace war sich sicher, dass etwas Dunkles und Schmerzhaftes seine Seele quälte. Seine schlaflosen Nächte hatten nichts mit Arbeit zu tun, sondern mit den Gespenstern der Vergangenheit.
Unvermittelt spürte sie Mitgefühl in sich aufsteigen. Weder konnte sie diese Regung verhindern, noch verstand sie sie. Wenn jemand auf Mitgefühl keinen Wert legte, dann dieser Mann. Aber die Sehnsucht, ihm irgendwie zu helfen, seine Schmerzen zu lindern, empfand Grace als nahezu überwältigend.
Sie legte die Hände in den Schoß, um sich davon abzuhalten, ihn zu berühren. „In der Nacht ist es immer am schlimmsten“, murmelte sie. „Dann wird jedes Problem übergroß. Und es gibt keine Ablenkung.“
„Bietest du mir eine Ablenkung an?“ Die Dämonen waren fort. Stattdessen lag in seinen Augen nur noch ein schelmisches Funkeln. Er war wieder zu dem gefährlichen Casanova geworden, der Frauen mit nur einem Blick verführte. Ihr stockte der Atem.
„Ich kenne dich nicht“, flüsterte sie. Daran wollte sie nicht nur ihn, sondern auch sich erinnern. Er beobachtete sie, als könnte er ihre Gedanken lesen.
„Du weißt alles, was du zu wissen brauchst.“
Mit anderen Worten: Sie sollte genau so viel über ihn erfahren, wie er zuließ. Allerdings war das nicht annähernd genug. Sie wollte mehr, sie wollte alles über ihn wissen.
Wie hatte es in nur zwei Tagen dazu kommen
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