Die Unschuld der Rose
unglaublich verführerischem Körper.
Plötzlich fielen ihm die dunklen Schatten unter ihren Augen auf. „Bist du müde?“
„Ein bisschen.“ Sie stellte das Glas auf den Tisch und griff nach der Gabel. „Eher besorgt als müde, wenn ich ehrlich bin.“
„Besorgt?“ Rafael beugte sich vor. Er wollte nicht, dass sie sich wegen irgendetwas beunruhigte. „Was bereitet dir Sorgen? Sag es mir, und ich löse es für dich.“
„Mein Vater.“
„Ich kümmere mich um ihn.“
„Nein, das möchte ich nicht. Er ist nicht dein Problem. Und es ist nicht der Gedanke, ihm gegenüberzutreten, der mir Sorgen macht. Es ist etwas anderes.“ Sie schob das wundervolle Essen, das Maria für sie zubereitet hatte, auf dem Teller hin und her. „Ich habe das Gefühl, meinen Vater verloren zu haben. Ich weiß, das klingt verrückt – vor allem, weil er nie wirklich etwas für mich empfunden hat. Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, ihm zu gefallen. Er sollte stolz auf mich sein. Aber offensichtlich wollte er nie, dass ich Erfolg habe. Das fällt mir sehr schwer zu akzeptieren.“
Rafael seufzte. „Kinder zu haben bringt eine enorme Verantwortung mit sich. Die meisten Eltern machen die grässlichsten Fehler“, sagte er mit dem ihm eigenen Zynismus. „Was nur wieder beweist, dass du Menschen nicht so einfach vertrauen solltest. Es ist besser, sich auf sich selbst zu verlassen.“
„Das tue ich ja auch.“ Ihr Blick schweifte in weite Ferne. „Nur, was ist ein Leben ohne Liebe?“
„Ein einfaches?“ Ernsthaft beunruhigt über die Wendung, die das Gespräch nahm, füllte Rafael ihr noch mehr Essen auf den Teller. „Vergiss das Thema. Du musst lernen, härter zu werden und den Menschen nicht sofort zu vertrauen.“
„Nein danke, ich habe genug …“ Sie hob eine Hand, um ihn daran zu hindern, weiter nachzulegen. „Ich bin wirklich nicht hungrig. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich härter werden will. Ich möchte kein Leben führen, in dem ich nichts mehr fühle.“
„Glaub mir, so ist es viel einfacher“, versicherte Rafael ihr.
„Hat sie dich wirklich so tief verletzt? Deine Exfrau?“
Alles in ihm verspannte sich bei der persönlichen Frage. Doch dann sagte er sich, dass eine kleine Erinnerung an die Schlechtigkeit der Menschen nicht schaden konnte. „Nein, sie hat mich nicht verletzt.“ Es war lange her, dass er einer Frau erlaubt hatte, ihm wehzutun. Dieses Geheimnis würde er Grace jedoch nicht enthüllen.
„Hast du sie geliebt?“
Seine Gedanken wieder auf die Gegenwart konzentrierend, zog er spöttisch eine Augenbraue hoch. „Was glaubst du?“
„Ich weiß, dass du behauptest, nicht an die Liebe zu glauben. Trotzdem hast du geheiratet. Dafür muss es einen Grund gegeben haben.“
„Den gab es.“ Gefühle, dunkel und tödlich, drohten ihn zu überwältigen. Rücksichtslos schob er sie beiseite. „Sie hat gesagt, sie sei schwanger.“
„Oh.“ Grace legte die Gabel neben den Teller. „Deshalb hast du sie geheiratet?“
„Ja.“
„Was ist passiert? Oder möchtest du nicht darüber reden? Ich meine, du hast kein Kind, also …“ Sie zögerte. „Wenn es dich traurig macht, können wir das Thema wechseln. Es tut mir leid, ich hätte nicht fragen dürfen.“
„Es gab kein Baby“, erklärte er barscher, als er beabsichtigt hatte.
Ihre Augen trübten sich. „Sie hat es verloren?“
Rafael betrachtete sie mit einer Mischung aus Faszination und Fassungslosigkeit. Grace’ Gefühle trieben so dicht unter der Oberfläche. Alles, was sie fühlte, spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
„Es gab kein Baby, das verloren werden konnte.“ Er umklammerte sein Weinglas so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Währenddessen zwang er sich zu einem dünnen Lächeln. „Du siehst, Grace, auch der größte Zyniker kann übertölpelt werden.“
„Sie hat gelogen, damit du sie heiratest?“ Mitgefühl schimmerte in ihren Augen. Und es lag noch etwas anderes, etwas Wärmeres darin, das sich wie Balsam auf seine gereizten Nerven legte. „So sehr hat sie dich geliebt?“
Ganz offensichtlich funktionierte Grace Thackers Verstand anders als der anderer Menschen. Rafael verspannte sich wieder. „Sie hat mich überhaupt nicht geliebt.“
„Aber wenn sie …“
„Mit einem Milliardär verheiratet zu sein bringt gewisse Vorteile mit sich.“
„Du glaubst, sie hat dich des Geldes wegen geheiratet.“
„Ich weiß, dass sie es aus diesem Grund getan hat.“ Er musterte sie
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