Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
und dann bekomme ich Oxytocin. Wir werden eine ganze Weile hier sein. Entspann dich einfach. Das wird sich noch lange hinziehen.«
Ich seufzte. »Deine Haare sehen anders aus«, sagte ich.
»Ich habe sie machen lassen. Ich habe da einen neuen Genetiker gefunden. Dr. Neil. Er ist wunderbar. Gefällt dir das Blond?«
»Klar. Absolut.«
Sie meldete sich an, und wir wurden in den Kreissaal geführt. Sie zogen Sonia aus, steckten sie in ein Krankenhaushemd, drückten einen Teelöffel durchsichtige Flüssigkeit auf ihren Bauch und schlossen sie an einen Herzmonitor an. Während der nächsten zwölf Stunden saßen wir da und sahen auf den Wehenmonitor, starrten auf die Ausschläge nach oben und unten. Die Wehen hätten stärker und zahlreicher werden sollen, doch soweit ich es beurteilen konnte, blieben die Ausschläge auf dem Monitor unverändert – oder sogar noch schlimmer, denn meiner Meinung nach gingen sie sogar ein wenig zurück. Schließlich hörte ich auf, auf den Monitor zu starren, und konzentrierte mich auf etwas anderes. Ich führte sogar einige gar nicht so seltsame Gespräche mit Nate. Dann unterhielten wir uns über Sitcom-Wiederholungen. Niemand sagt einem, wie langweilig es sein kann, auf ein neues Leben zu warten. Gegen Mitternacht drehte sich Sonia plötzlich zur Seite und tastete das Bett unter ihrem Hintern ab. Die Unterlage auf dem Krankenhausbett war von einer wässrigen Flüssigkeit durchtränkt.
»Ich glaube, meine Fruchtblase ist geplatzt.«
Ich ging davon aus, dass es sich dabei um etwas Bedeutungsvolles handeln musste und das Baby jetzt bald da sein würde, doch ich hatte mich geirrt. Es ist bloß etwas, das früher oder später ohnehin passiert. Weiter warten. Weiter starren. Vier Stunden später kam der Arzt herein und erklärte Sonia, dass es Zeit war, mit dem Pressen zu beginnen. Nate und ich griffen jeder nach einem von Sonias Beinen und hielten es jeweils zehn Sekunden lang hoch bis zu ihren Ohren, während Sonia versuchte, das Baby herauszupressen. Das taten wir zwei Stunden lang. Sonia sah so aus, als hätte sie ihren Frieden mit den Geschehnissen gemacht. (Die Epiduralanästhesie war dabei zweifellos eine große Hilfe.) Ich hingegen stand kurz davor, schmerzverzerrt zu Boden zu sinken. Doch ich war nicht derjenige, der versuchte, ein Kind aus seinem Körper zu pressen. Für mich gab es kein Mitleid.
Ich hielt durch, bis der Arzt Sonia befahl, mit dem Pressen aufzuhören, und einen Notkaiserschnitt anordnete, da die Herzfrequenz des Babys zu niedrig war. Wir mussten unsere Sachen zusammenpacken und wurden in den Operationssaal geführt, wo eine Gruppe maskierter Ärzte mit langen Skalpellen und Tupfern, mit denen sie das Blut aufsaugen konnten, auf Sonia wartete. Es sah aus, als wollten sie sie ausweiden. Ich saß hinter dem Vorhang und hielt Sonias Hand. Nate saß mir gegenüber und griff nach ihrer anderen Hand. Ich war der Meinung gewesen, dass es wohl seltsam werden würde, doch genau das Gegenteil war der Fall. Nate und ich waren ein gutes Team. Immer wenn ich schlapp machte, übernahm er das Ruder und umgekehrt. Ich kann nur empfehlen, dass jede Frau gleich zwei Männer zur Geburt mitnehmen sollte.
Dreißig Minuten später hielt einer der Ärzte etwas über den Vorhang. »Hier ist ihr Baby«, sagte er lässig.
Unser Sohn war blutverschmiert und machte schreiend auf sich aufmerksam. Die Nabelschnur wuchs aus ihm heraus, so glänzend wie die gewundene Schnur an einem dieser altmodischen Telefone, von denen meine Großmutter eines gehabt hatte. Sie brachten das Baby rasch in eine Ecke des Operationssaales, um es zu säubern, seine Vitalfunktionen zu überprüfen und es zu wiegen. Sie schnitten die Nabelschnur durch, ohne mich vorher zu fragen, ob ich es nicht hätte machen wollen, was mich ärgerte. Sie baten Nate und mich, auf unseren Stühlen sitzen zu bleiben, während all das geschah. Sonia verlor das Bewusstsein, während sie ihre Gebärmutter wieder in ihren Körper zurückdrückten und sie zusammennähten. Die Krankenschwester kam mit dem in Decken gewickelten Baby zu uns. Er hatte immer noch etwas Blut in seinen Ohren, und kleine Klumpen klebten in seinen Haaren.
Die Schwester sah uns an. »Wem darf ich ihn geben?«, fragte sie.
Nate nickte in meine Richtung. »Ihm.«
»Bitte sehr.«
Sie gab mir das Baby. Ich starrte ihn an. Ich hielt ihn ganz nahe an Sonias Gesicht, um ihn ihr zu zeigen, auch wenn sie ohnmächtig war. Ich fuhr mit der Hand über seinen Kopf, der
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