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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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Platz neben mir plumpsen und warte darauf, dass Mr. Robins auftaucht.
    Mr. Robins kommt immer zu spät. Hauptsächlich deshalb, weil er zwischen den Unterrichtsstunden gern einen Schluck aus seinem kleinen silbernen Flachmann nimmt. Doch das tut er nur, weil seine Frau ihn ständig anschreit, seine Tochter ihn für einen Volltrottel hält und er sein Leben ziemlich zum Kotzen findet. All das habe ich an meinem ersten Schultag herausgefunden, als ich ihm meinen Zugangsschein von der Schulbehörde gegeben habe. Wenn ich jetzt etwas abgeben muss, lege ich es deshalb immer einfach auf seinen Schreibtisch, ganz an den Rand.
    Ich schließe die Augen und warte; dabei merke ich, wie meine Finger sich unter mein Sweatshirt schieben und von dem grölenden Sid Vicious auf etwas Leiseres, Sanfteres umschalten. Der Krach ist jetzt, da ich im Klassenzimmer sitze, nicht mehr nötig. Wahrscheinlich hält die geringe Schüleranzahl pro Lehrer die übersinnliche Energie ein wenig in Grenzen.
    Ich war nicht immer ein Freak. Früher war ich mal ein ganz normaler Teenager. Eins von den Mädchen, die zu Schulfeten gehen, für irgendwelche Stars schwärmen und sich so viel auf ihre langen blonden Haare einbilden, dass es mir nicht im Traum eingefallen wäre, sie zu einem straffen Pferdeschwanz zurückzubinden und mich unter einem großen Kapuzensweatshirt zu verstecken. Ich hatte eine Mom, einen Dad, eine kleine Schwester namens Riley und einen lieben blonden Labrador namens Buttercup. Ich habe in einem schönen Haus in Eugene gewohnt, in Oregon. Ich war beliebt, glücklich und konnte es kaum erwarten, dass das elfte Schuljahr anfing, denn ich war gerade zum Cheerleader der Universitätsmannschaft gemacht worden. Mein Leben war vollkommen, und der Himmel war die einzige Grenze. Und obgleich Letzteres das totale Klischee ist, ist es ironischerweise auch wahr.
    Doch was mich betrifft, ist das alles Hörensagen. Denn seit dem Unfall ist Sterben das Einzige, woran ich mich deutlich erinnern kann.
     
    Ich hatte etwas, was man eine Nahtoderfahrung nennt. Nur liegt man da zufällig falsch. Denn glaubt mir, das Ganze hatte nichts »Nahes« an sich. Irgendwie ist es, als hätten meine kleine Schwester Riley und ich eben noch hinten im Geländewagen meines Vaters gesessen, und Buttercup hätte den Kopf in Rileys Schoß liegen gehabt, während ihr Schwanz gegen mein Bein klopfte. Und dann waren sämtliche Airbags aufgeblasen, das Auto war Schrott, und ich sah das Ganze von außen. Ich starrte das Wirack an - die Glasscherben, die verbogenen Türen, die vordere Stoßstange, die in tödlicher Umarmung eine Kiefer umklammerte -, fragte mich, was schiefgegangen war, und betete, dass die anderen auch aus dem Wagen herausgekommen waren. Dann hörte ich ein vertrautes Bellen, drehte mich um und sah sie alle einen Pfad entlanggehen, Buttercup schwanzwedelnd vorneweg.
    Ich folgte ihnen. Versuchte zuerst, zu rennen und sie einzuholen, dann jedoch wurde ich langsamer und beschloss, ein wenig zu trödeln. Wollte durch diese riesige duftende Wiese voller blühender Bäume und Blumen wandern, die vor mir bebten, schloss die Augen vor dem blendenden Nebel, der spiegelte und leuchtete und alles schimmern ließ.
    Ich nahm mir fest vor, dass ich mich nur einen Moment lang aufhalten würde. Dass ich bald zurückgehen und sie suchen würde. Doch als ich endlich aufschaute, geschah das gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie sie lächelten und winkten und eine Brücke überquerten, nur Sekunden, bevor sie alle verschwanden.
    Ich geriet in Panik. Rannte hierhin und dorthin, aber es sah alles gleich aus - warmer, weißer, glänzender, schimmernder, wunderschöner, blöder ewiger Nebel. Und ich fiel zu Boden, meine Haut prickelte vor Kälte, mein ganzer Körper zuckte, und ich weinte und schrie, fluchte, bettelte und versprach alles Mögliche, von dem ich genau wusste, dass ich es niemals würde halten können.
     
     
    Und dann hörte ich jemanden sagen: »Ever? Ist das dein Name? Mach die Augen auf, und sieh mich an.«
    Ich stolperte zurück an die Oberfläche. Zurück dorthin, wo alles Schmerz und Elend war, und nasses Brennen auf meiner Stirn. Und ich schaute den jungen Mann an, der sich über mich beugte, blickte in seine dunklen Augen und flüsterte: »Ich bin Ever«, ehe ich von Neuem das Bewusstsein verlor.
     
     

ZWEI
    Sekunden, bevor Mr. Robins hereinkommt, nehme ich meine Kapuze ab, schalte meinen iPod aus und tue so, als würde ich in meinem Buch lesen. Ich

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