Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
als dieses Buch in Druck ging, wiederum Teile von Henriettas Krankenakten ohne Genehmigung der Familie veröffentlicht, dieses Mal in einem Fachartikel von folgenden Autoren: Brendan Lucey vom Michael O’Callaghan Federal Hospital an der Nellis Air Force Base; Walter A. Nelson-Rees, der Kreuzritter der HeLa-Verunreinigungen, der zwei Jahre vor Erscheinen des Artikels starb; und Grover Hutchins, Leiter der Obduktionsabteilung am Johns Hopkins. Siehe B. P. Lucey, W. A. Nelson-Rees und G. M. Hutchins, »Henrietta Lacks, HeLa Cells, and Culture Contamination«, Archiv es of Pathology and Laboratory Medicine 133, no. 9 (September 2009).
Ein Teil der von ihnen veröffentlichten Informationen hatte zuvor schon in dem Buch A Conspiracy of Cells von Michael Gold gestanden. Sie veröffentlichten aber auch neues Material, darunter erstmals Fotos vom Biopsiematerial aus ihrer Cervix. Gellman meint dazu: »Höchstwahrscheinlich wurde der HIPAA in diesem Fall verletzt. Mit Sicherheit lässt sich das aber nur durch eine Untersuchung feststellen, in die komplizierte Faktoren einfließen würden, beispielsweise die Frage, wie sie überhaupt an die Krankenakten gelangt sind.« Als ich Lucey, den ersten Autor des Artikels, anrief und mich erkundigte, wie er an die Akten gelangt war und ob sich jemand um die Einwilligung der Angehörigen für ihre Veröffentlichung bemüht hätte, erzählte er mir, die Akten seien von seinem Coautor Hutchins am Hopkins gekommen. »Im Idealfall hätte man gern die Zustimmung der Familie«, sagte er. »Ich nehme an, Dr. Hutchins hat vergeblich versucht, ein Familienmitglied ausfindig zu machen.« Die Autoren hatten vom Ethikkomitee
die Genehmigung, in einer Reihe von Aufsätzen verschiedene Obduktionsberichte zu verwenden; in anderen Artikeln hatten sie die Identität der Patienten durch Verwendung von Initialen geschützt. Lucey betonte, einige Informationen aus Henriettas Krankenakten und auch ihr Name seien ja zuvor bereits veröffentlicht worden. »Ihre Identitäten mit Initialen zu schützen wäre in diesem Fall nicht möglich gewesen«, sagte er. »Jeder kann herausfinden, wer sie ist, denn ihr Name wurde bereits mit den Zellen in Verbindung gebracht.«
Verstorbene haben in der Regel nicht das gleiche Recht auf Datenschutz wie die Lebenden. Der HIPAA ist eine Ausnahme von dieser Regel: »Selbst wenn es Krankenakten über Thomas Jefferson gäbe, wären sie durch den HIPAA geschützt, wenn sie in einer Einrichtung im Geltungsbereich des Gesetzes aufbewahrt werden«, sagt Gellman. »Ein Krankenhaus darf die Akten nicht herausgeben, ganz gleich, ob der Patient tot ist oder noch lebt. Das Recht auf Datenschutz nach dem HIPAA bleibt so lange erhalten, bis der Sonne der Wasserstoff ausgeht.«
Noch etwas anderes gilt es zu bedenken: Henrietta war zwar tot und hatte nicht mehr das gleiche Recht auf Datenschutz wie die Lebenden, viele Juristen und Datenschutzexperten, mit denen ich mich unterhielt, wiesen aber auf einen wichtigen Punkt hin: Die Familie Lacks hätte die Ansicht vertreten können, dass ihre Privatsphäre durch die Herausgabe von Henriettas Krankenakten verletzt wurde. Für eine solche Position gab es zu jener Zeit noch keinen Präzedenzfall, seither wurden jedoch einige ähnliche Fälle verhandelt.
Weitere Informationen über die gesetzlichen Regelungen zur Vertraulichkeit von Krankenakten und die Diskussionen zu diesem Thema finden sich in Lori Andrews, »Medical Genetics: A Legal Frontier«; Confidentiality of Health Records von Herman Schuchman, Leila Foster, Sandra Nye et al.; M. Siegler,
»Confidentiality in Medicine: A Decrepit Concept«, New England Journal of Medicine 307, no. 24 (9. Dezember 1982): 1518-1521; R. M. Gellman, »Prescribing Privacy«, North Carolina Law Review 62, no. 255 (Januar 1984); »Report of Ad Hoc Committee on Privacy and Confidentiality«, American Statistician 31, no. 2 (Mai 1977); C. Holden, »Health Records and Privacy: What Would Hippocrates Say?«, Science 198, no. 4315 (28. Oktober 1977); und C. Levine, »Sharing Secrets: Health Records and Health Hazards«, The Hastings Center Report 7, no. 6 (Dezember 1977).
Zu ähnlichen Fällen siehe Simonsen v. Swensen (104 Neb. 224, 117 N.W. 831, 832, 1920); Hague v. Williams (37 N.J. 328, 181 A.2d 345. 1962); Hammonds v. Aetna Casualty and Surety Co.
(243 F. Supp. 793 N.D. Ohio, 1965); MacDonald v. Clinger (84 A.D.2d 482, 446 N.Y.S.2d 801, 806); Griffen v. Medical Society of State of New York (11 N.Y.S.2d 109,
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