Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Händen weiß und außerdem nicht glaubt, dass Lycidas Kenntnis von unserem Wissensstand hat
.
    »Und weil wir Sie brauchen, um Lycidas entgegenzutreten.« Maurice Micklewhite hatte es ausgesprochen. »Lycidas ist ein hinterlistiger Gegner«, sagte der Elf. »Er spielt die Häuser gegeneinander aus, und wenn es nach jahrelangen Gefechten einen Sieger gibt, dann wird er entweder dessen Verbündeter sein oder aber über ihn herfallen. Das siegreiche Haus wäre zweifelsohne geschwächt und demnach eine leichte Beute. Während sich die Häuser bekämpfen, wird Lycidas seine eigene Armee aufstellen. Lordkanzler Kensington rekrutiert bereits die Wölfe, in der Hölle sammeln sich die Limbuskinder. Er kann sich in den Kampf einmischen und eines der Häuser unterstützen, oder aber er lehnt sich zurück und fällt über den Sieger her, wenn dieser sich die Wunden leckt. In jedem Fall wird Lycidas zu Macht gelangen.«
    »Er intrigiert«, sagte ich. »Das ist seine Waffe. Und eine äußerst wirkungsvolle dazu.«
    Mit Grauen dachte Emily daran, dass sie kurz davor gewesen war, Lucia del Fuego zu trauen; ja, sich sogar gewünscht hatte, sie wäre ihre Mutter. Sie hatte sie bewundert, die graue Jägerin, die allein mit einem Rudel Werwölfe fertig geworden war und ihr zum ersten Mal etwas von ihrer Abstammung erzählt hatte. Dabei war sie nur benutzt worden.
    »Nicht zuletzt«, merkte Maurice Micklewhite an, »ist Lycidas ein gefallener Engel.«
    »Ein Wesen«, fügte ich hinzu, »das nur andere Engel zu bändigen wissen.«
    Emily schien zu ahnen, worauf das Ganze hinauslief.
    Mylady Hampstead musterte das Mädchen eindringlich.
    »Wir brauchen Ihre Hilfe«, gestand ich.
    Und offenbarte ihr unsere Absichten.
    Den Plan, zu dessen Durchführung wir niemals auf Emily Laing hätten verzichten können.

Kapitel 16
Lord Uriel
    Die Welt ist gierig, und manchmal verschlingt sie kleine Kinder mit Haut und Haaren.
    »Sie sollte längst zurück sein«, sagt Maurice Micklewhite.
    Die Besorgnis, die während der letzten Tage nie ganz verschwunden war, wird erneut entfacht. Ich lasse den Blick durch den Raum mit der niedrigen Holzdecke und den vielen Gästen schweifen, die laut redend ihr Bier trinken.
    »Sie hat es geschafft«, bemerke ich möglichst zuversichtlich.
    »Du spürst es?«, will mein Gegenüber wissen.
    Ich nicke nur.
    »
Ich
spüre nichts«, gibt Maurice Micklewhite zu bedenken. »Nicht das Geringste.«
    Das beunruhigt mich noch mehr.
    Ich schaue durch eines der kleinen Fenster in die Nacht hinaus. Draußen hat es wieder zu schneien begonnen. Dicke Flocken wirbeln durch die Dunkelheit. Ich nippe an meinem Tee. Ein verlorenes Kind irrt gerade durch dieses eisig klirrende Wintermärchen, in das sich die Stadt seit bereits zwei Monaten verwandelt hat.
    »Wir hätten sie nicht gehen lassen dürfen«, stellt der Elf fest.
    »Hatten wir denn die Wahl?«, gebe ich zur Antwort.
    Im Grunde genommen wissen wir beide, dass es keinen anderen Weg gab.
    Denn die Engel sorgen sich nicht länger um die Belange der Menschen. Die alten Götter gehen ihrer eigenen Wege. Unerkannt wandelten sie durch die Jahrhunderte, verborgen lebten sie unter uns, seit der Ewigkeit darauf wartend, dass eine neue Zeit beginnt.
    »Die Urieliten«, hatte Maurice Micklewhite dem Mädchen erklärt, »leben am Oxford Circus.«
    Die Urieliten sind Engel des dritten Ordens und gehören der Kaste der Seraphim an. Sie sind Feuermacher und bezaubernde Musiker. Sie fungierten in den Tagen des Beginns als Stimmen des Träumers und brachten das Wort des Himmels unter die Sterblichen. Lord Uriel, das »Feuer Gottes«, ist Oberhaupt des Ordens und Hüter des Karmas. Er sorgt dafür, dass die Menschen ernten, was sie gesät haben.
    »Die Engel haben seit langer Zeit schon nichts mehr mit den Menschen zu tun«, hatte ich ihr gesagt. »Sie bereiten den Einwohnern der uralten Metropole und in London Freude mit ihren Kunststücken.«
    Die Urieliten haben sich zurückgezogen.
    »Ein Kind jedoch«, hatte Maurice Micklewhite gemutmaßt, »das ihnen seine Belange vorträgt, könnte Gehör finden. Denn sie verschließen sich nicht der Unschuld, weil diese, wie jeder Engel weiß, bewahrt werden muss.«
    So begab es sich, dass ich Emily Laing zur Oxford Street geleitete, jener Hauptstraße Londons im Herzen des Westends.
    Menschenmassen strömten aus den Kaufhäusern, die die Oxford Street säumen. Selfridges und John Lewis, die zahlreichen Modeboutiquen und Souvenirshops; sie alle wurden

Weitere Kostenlose Bücher