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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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eine schillernde Gestalt der Phantasie eines dummen Jungen, der mit großen Augen den Geschichten in den Hinterhöfen lauschte.« Dann wurde ich ihm mit einem Mal vorgestellt. »Mylady Hampstead hatte natürlich Kontakte. Wir trafen ihn im Museum.« Wo sonst? »Ich dürfte damals in Ihrem Alter gewesen sein.«
    Emily, die mittlerweile einfach so meine Hand ergriffen hatte, ging langsam neben mir her.
    »Er war Ihr Vorbild.«
    »Das war er.«
    Irgendwie.
    »Und jetzt?«
    »Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich von alledem halten soll.« Immerhin eine ehrliche Antwort. »Aber das, Miss Emily, bedeutet es, erwachsen zu werden.« Ein Blick auf Emily zeigte mir, wie klein sie doch noch war. Dass sie mein Gesicht in diesem Augenblick nicht sehen konnte, war mir nur recht. Doch besaß sie ein gutes Gehör, und die Melodie meiner Stimme verriet den Gesichtsausdruck wohl zur Genüge. »Am Ende«, sagte ich zögernd, »sind wir immer noch Waisen.«
    Emily senkte den Kopf.
    Berührte ihr Mondsteinauge.
    »Ich weiß«, sagte sie.
    Und dann gingen wir zu den anderen.
    Mièville und Aurora warteten bereits auf uns. Dort, wo der Gang endete. In dem niedrigen Raum, in dessen Mitte ein Schacht in die Tiefe führt. Ein kreisrundes Loch gab den Blick frei auf eine nur bedingt Vertrauen erweckende Leiter, die mit schweren Bolzen am Felsgestein befestigt war. An ihren Sprossen klebte getrockneter Lehm.
    Mièville kniete neben dem Loch und schnupperte an dem Lehm.
    »So wie es aussieht«, analysierte er, »ist keiner der Golemkrieger wieder dort hinabgestiegen.«
    »Wie viele Krieger auch durchgekommen sind«, vervollständigte ich des Tunnelstreichers Vermutung, »sie befinden sich noch immer hier oben.« Streiften auf der Suche nach Beute durch die uralte Metropole.
    Die beiden Mädchen waren jetzt wieder zusammen.
    »Was wird uns dort unten erwarten?« Eigentlich war es keine richtige Frage, die Aurora da gestellt hatte.
    Es war Emily, deren Hände vorsichtig nach den Sprossen der Leiter tasteten, die ihr trotzdem antwortete: »Die Hölle.«
    Dem gab es nichts hinzuzufügen.
    »Hinab!«, forderte ich die Kinder auf.
    Es galt, keine Zeit zu verlieren.
    Dinsdale tauchte als Erster in den Schacht und erhellte ihn von unten. Ihm folgten Mièville und Aurora. Emily bildete die Nachhut, nur wenige Sprossen hinter mir. Es war ein langsamer Abstieg, weil ich fortwährend nach dem Kind schauen musste. Wäre sie gefallen, so hätte ich sie aufzufangen vermocht.
    »Irgendeinen Hinweis?«, versuchte ich den Abstieg mit Konversation zu verkürzen.
    »Auf Maras Verbleib?«
    »Ja.«
    »Nicht der geringste.«
    Die kalte Luft, die uns im Schacht entgegenschlug, gestaltete den Abstieg nicht angenehmer.
    Immer wieder hatte sich Emily auf ihre Schwester konzentriert. Die uralte Metropole nach den Gedanken des Mädchens abgesucht. Niemals zuvor hatte es Emily solche Mühe gekostet, Kontakt zu ihrer Schwester aufzubauen.
    »Glauben Sie, dass sie noch lebt?«
    Entschlossen sagte ich: »Ja!«
    Feiner Raureif bedeckte mittlerweile die Sprossen der Leiter, denn immer kälter wurde die Luft, die von unten emporstieg.
    Schweigsam erreichten wir schließlich das Ende der Leiter.
    Mièville und Aurora spähten bereits in den Tunnel hinein, als ich Emily von den letzten Sprossen half.
    Dünner Schnee bedeckte den Boden des Ganges, in dem wir uns befanden. Die niedrige Decke wurde von dicken Balken gestützt. Eiskristalle funkelten, wenn sich der Schein des Irrlichts in ihnen brach. Drüben standen einige Loren. Werkzeuge lagen achtlos weggeworfen umher.
    Es war Aurora, der die eigentliche Veränderung zuerst auffiel.
    »Sie sind fort«, stellte sie fest. »Die Kinder mit den Spiegelscherbenaugen sind verschwunden.«
    Alle außer Emily blickten zu Boden und wurden der unzähligen kleinen Fußabdrücke gewahr. Fußabdrücke, die eine Geschichte erzählten, die wir bereits gehört hatten. Aus des Lichtlords Mund.
    »Dann ist es also wahr«, murmelte ich.
    Lycidas setzte seinen Plan in die Tat um.
    Der Angriff kam überraschend.
    Schnell.
    Emily hatte gerade an ihre Schwester gedacht und versucht, sich den Abgrund vorzustellen. In dem alten Amphitheater drüben in der Region war es ein einfaches Loch gewesen, nichts weiter. Völlig unspektakulär. Ein großes Loch im Boden, das tief in die Erde hinabführte. Gab es in Blackheath einen ähnlichen Abgrund? Würde man dort hinabsteigen können? War Mara bereits in die Tiefen entführt worden und harrte dort dessen, wozu der

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