Süße Träume
Süße Träume
A. D. R. Forte
Achtzig Prozent unserer wachen Stunden sind wir an unserem Arbeitsplatz. Nach meiner Berechnung ist es allerdings verdammt viel mehr als das, und wenn man so viel Zeit mit anderen verbringt, lernt man sie gut kennen. Wirklich gut. Wenn sie nervös oder ärgerlich sind, oder wenn sie lügen. Oder sich klammheimlich freuen. Man lernt, was sie bewegt. Es sind die kleinen Dinge; Gesten, der Ton der Stimme, Ausdrücke, die sie immer wieder gebrauchen.
Man lernt so viel, dass man die Person auswendig kennt. Man könnte ihre Sätze beenden, weil man weiß, was sie sagen würden und wann sie die Augen verdrehen. Man lernt, mit ihrem Kopf zu denken und merkt es nicht einmal, bis man feststellt, dass man vollkommen grundlos mit ihnen lacht.
So gut kannte ich ihn irgendwann. Furchterregend gut.
Aber ich dachte mir nichts dabei, weil ich keine Männer mag. Noch nie, kein Interesse. Ich bin ihnen nicht bewusst aus dem Weg gegangen; ich habe nur einfach bei einem Jungen nie diesen Funken gespürt, der mir das Rückgrat und bis zwischen die Beine hinunterläuft. Zum ersten Mal habe ich das bei einem Mädchen in der zehnten Klasse mit langem, vollkommen glattem Blondhaaar und kleinen runden Brüsten empfunden. Sie roch immer nach Körperspray mit Frangipani-Duft, und ihre Nähe sorgte dafür, dass meine empfindsamsten Körperteile prickelten und sich mir der Kopf drehte. Sie war meine Erste, und danach kamen viele andere.
Aber keine Männer. Jahrelang nicht. Mein ganzes Erwachsenenleben lang nicht; bis zu diesem Tag im Pausenraum, als er etwas vollkommen Blödes sagte und ich vor Lachen herausplatzte und mir beinahe Kaffee auf den Schoß schüttete. Er saß grinsend da, und Sonnenlicht schimmerte in seinem Haar. Ich sah in sein Gesicht, und mein Herz pochte auch noch weiter, als ich zu lachen aufgehört hatte. Mir fiel auf, dass mir beim Anblick der Uhr an seinem Handgelenk am ganzen Körper heiß wurde. Ich bemerkte seine Finger und stellte mir vor, wie sie zwischen meine Beine griffen. Und dann wandte ich den Blick ab.
Es nützte nichts.
Ich ging heim zu der wunderschönen Frau, mit der ich mein Leben und mein Haus teile und lag mit geschlossenen Augen unter ihr. Stellte mir vor, wie seine Finger mich berührten, wie er mich küsste. Wie er seinen harten Schwanz zwischen die Lippen meiner Pussy schob und zusah, wie ich mich unter ihm wand.
Noch nie hatte ich eine solche Fantasie gehabt und wusste nicht, was ich tun sollte. Das war wie Betrug, es war böse. Der Gedanke daran erregte mich mehr, als ich mir vorstellen konnte.
Am nächsten Morgen stand ich in der Dusche und spielte mit meinen Brustwarzen. Ich überlegte, wie er wohl nackt aussah, und begehrte ihn so heftig, dass es wehtat. Und ich wusste, was er sagen würde, und wie. Wusste genau, wie er mich ansehen würde, bevor er den Mund auf meine Lippen legte. So etwas lernt man, selbst wenn man die Person nie wirklich dabei beobachtet hat. Der Instinkt sagt es einem.
Ich bin mir sicher, er hat gemerkt, dass sich zwischen uns etwas verändert hatte, denn er verhielt sich ebenfalls fast unmerklich anders. Er lächelte seltener, dafür aber länger. Besonders wenn niemand anderer in der Nähe war. Wenn er mit mir sprach, klang seine Stimme weicher. Er tauchte immer gleichzeitig mit mir irgendwo auf; im Pausenraum, an der Rezeption, im Parkhaus.
Manchmal erwischte ich ihn dabei, wie er mit seinem Ehering spielte und ihn vom Finger zog und wieder ansteckte. Dann sah er auf und schaute mich ein paar Sekunden lang an, bevor er den Blick wieder abwandte. Typisch mein Glück, einen Mann zu begehren, der genauso vergeben war wie ich.
Ich dachte, es würde weggehen; ich wünschte es mir. Das war eine vorübergehende Schwärmerei, die irgendwann im Sande verlaufen würde, sagte ich mir, und versuchte mich in seiner Gegenwart wie immer zu verhalten. Aber etwas drängte sich dazwischen, sorgte dafür, dass ich ins Stottern geriet und mir immer viel zu warm war, sogar im kältesten Raum. Ließ mich jedes Mal, wenn er mich anlächelte, vergessen, was ich sagen wollte. Monate vergingen, bis mir klar wurde, dass ich mich vor dem Offensichtlichen versteckte.
Es wurmte mich, dass ich so wenig Selbstbeherrschung an den Tag legte, aber ich konnte mich einfach nicht von diesem Drang befreien. Ich gierte nach seiner Berührung wie ein Junkie nach einem Schuss. Bald explodiert mir der Kopf, dachte ich, und wie soll ich das dann erklären? War es normal, wenn
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