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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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immer besser«, gestand sie Aurora.
    Dann kam der Angriff.
    Unverhofft.
    Schnell.
    »Spüren Sie etwas?«, hatte ich Emily kurz zuvor gefragt.
    Konzentriert hatte sie die Gegend nach dem Bewusstsein fremder Wesen abgesucht. Wie sie es auch in der Region getan hatte. Wie wir es in den Lektionen geübt hatten.
    »Nein, da ist niemand.«
    Nun denn.
    Sie hatte sich geirrt.
    Als sie auf dem unebenen Höhlenboden wankte und sich an der Wand zu ihrer Rechten abstützen wollte, fühlte sie etwas Kaltes, Pulsierendes. Es war feucht und bewegte sich wie ein Lebewesen, das atmet, und im nächsten Augenblick wurde Emily unsanft von den Füßen gerissen und durch die Luft geschleudert. Sie prallte gegen harten Stein, was wehtat, und sie hatte jegliche Orientierung verloren. Etwas klebte an ihrer Hand. Etwas, das nach schlammiger Erde roch.
    »Emmy!«, kreischte Aurora.
    Mièville stieß einen Fluch aus.
    Schwere Schritte waren zu hören.
    Emily strich sich instinktiv die Haare aus dem Gesicht und tastete ihren Körper ab. Gebrochen hatte sie sich anscheinend nichts. Immerhin. Dennoch taten ihr alle Gliedmaßen weh.
    »Verschwinden Sie dort!«
    »Wittgenstein?«, rief sie in die Dunkelheit, die sie umgab.
    Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand.
    Die schweren Schritte ließen auf ein großes Wesen schließen.
    Ein Golem.
    Doch warum hatte sie die Kreatur nicht gespürt? Vor wenigen Minuten hatte sie doch die Tunnel abgesucht, die vor uns lagen. In der Region hatte sie den Verstand des Golems deutlich gespürt. Hatte sogar sehen können, was er gesehen hatte. Warum war ihr das vorhin nicht gelungen?
    Zeit darüber nachzudenken hatte sie jedenfalls keine.
    »Bleiben Sie am Boden!«, hörte sie Mièville rufen.
    Wusste nicht einmal, ob die Worte an sie gerichtet waren.
    Dann hörte sie den Tunnelstreicher schreien.
    Weitere Schritte polterten durch die Höhle. Etwas zersplitterte. Etwas, das sich anhörte wie lange Eiszapfen, die von der Decke abgerissen wurden.
    »Emmy!« Ganz schrill war Auroras Stimme.
    Voller Verzweiflung.
    Mit einem Mal wusste Emily, wie sich ein Tier fühlen musste, wenn es registriert, dass es die Beute ist. Dass etwas Jagd auf es macht. Etwas, das unsichtbar ist und dennoch so greifbar, dass einen die Klauen jederzeit erreichen können.
    Fortlaufen wollte Emily.
    Ganz schnell.
    Dann wurde sie gepackt.
    Feuchte, starke Hände waren es, die sie emporhoben.
    Sie öffnete den Mund, um einen Schrei auszustoßen. Doch blieb ihr die Luft weg.
    »Emily!«
    Von ferne hörte sie Schritte, die sich ihr näherten.
    Gehetzt.
    Wittgenstein, dachte sie benommen.
    Ein penetranter Geruch nach schwarzer Erde war mit einem Mal überall. Hüllte sie ein, als sich die Pranke auf ihr Gesicht legte. Was nicht ganz richtig war. Denn die Hand umschloss förmlich ihren ganzen Kopf. Sie schnappte nach Luft und atmete doch nur erdigen Staub ein, der sie husten ließ. Panik bemächtigte sich ihres Verstandes. Sie begann wild um sich zu schlagen und zu treten. Für Schreie fehlte es ihr an Luft. Die Geräusche um sie her verschwanden. Nach und nach. Wurden erst dumpf und verebbten dann in dem pochenden Pulsieren ihres eigenen Blutes im Kopf.
    Bilder bestürmten sie.
    Farbenspiele.
    Ganz verwaschen und unscharf.
    Instinktiv und voller Verzweiflung griff sie nach dem Bewusstsein des Golems. Rutschte ab. Versuchte es erneut. Glitt nun nahezu mühelos in den kümmerlichen Verstand der Kreatur. Dachte wieder an den Penner, dem das Blut aus der Nase gelaufen war, und die Menschen in der U-Bahn, die ein kollektiver Schwindel erfasst und ihr die Flucht ermöglicht hatte.
    Dann …
    Mara.
    Dieser Gedanke.
    Kristallklar.
    Gab ihr die Kraft, dem Golem Einhalt zu gebieten.
    Benommen entsann sie sich des Bildes, das ich benutzt hatte, um ihr die Fähigkeit, die sie besaß, vor Augen zu halten. Man dringt, erinnerte sich Emily, in ein fremdes Haus ein. Durchforstet alle Räume. Und kann, wenn man will, ein Durcheinander anrichten, in dem sich niemand mehr zurechtfinden wird. In dem selbst die einfachsten Bewegungen unmöglich gemacht werden.
    Nichts anderes tat Emily, als der Golem sie gepackt hielt.
    Sie richtete ein Durcheinander an. Wirbelte das Bewusstsein der Kreatur durcheinander. Spürte den Schmerz, den sie dem Golem zufügte. Ein Schmerz, der keine körperliche Pein war. Ein Schmerz, der Irrsinn war. Wild und fordernd und keinen Widerstand duldend.
    Emily zerfetzte den Verstand des Golems.
    Der sie zu Boden warf.
    Einfach fallen

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