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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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kleine Mara abgeschrieben. Sie war das Opferlamm in diesem Spiel. Emily würde das Erbe Manderleys antreten können.
    Punktum.
    »Zählt denn nur die uralte Metropole?«, fragte Aurora. Strich Emilys übers Haar.
    Es war Mièville, der antwortete: »Ihr habt es erfasst.«
    »Und die Menschen, die darin leben?«
    »Allzeit geht es um die Menschen, die hier leben. Hier in London. In der uralten Metropole.« Mièvilles Stimme war schneidend wie ein langes Messer, das tief ins Fleisch schnitt. »Doch hier geht es um Opfer.« Die lange Pfeife hing in seinem Mundwinkel. »Es geht darum, dass Menschen sich opfern müssen, damit der Rest in Wohlstand leben kann. Was bedeutet schon der Tod eines einzelnen Kindes, gemessen am Wohlergehen der Gemeinschaft?« Die Augen des Tunnelstreichers waren zu Schlitzen verengt. »So ist das Leben, Miss Fitzrovia.«
    »Ist das auch Ihre Meinung?« Emily klang resigniert.
    Bar jeder Hoffnung.
    »Keiner von uns wäre hier«, schaltete ich mich ein, »wenn dies unsere Meinung wäre.«
    Emily seufzte.
    Aurora wirkte misstrauisch. »Werden Sie sich Ärger einhandeln?«
    Es war Mièville, der lauthals lachte. Einige der anderen Gäste sahen zu unserem Tisch herüber. In diesen Zeiten war lautes Gelächter selten geworden in King’s Moan.
    »Ja, Miss Fitzrovia«, antwortete der Streicher, »so könnte man es ausdrücken.«
    »Weder Maurice Micklewhite noch Miss Monflathers wissen, dass wir hier sind«, sagte ich. »Dass Sie beide sich nicht in meinem Anwesen in Marylebone befinden. Nicht einmal der Senat weiß davon.« Ganz übel wurde mir bei dem Gedanken daran. »Alle, die wir hier unten leben, achten die Gebote der uralten Metropole. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass das Wohlergehen der uralten Metropole Vorrang hat vor allem anderen.«
    »Und ich denke nicht«, gab Mièville zu bedenken, »dass wir uns gerade daran halten.«
    Stille.
    Da war nur das Gemurmel der anderen Gäste.
    »Warum tun Sie das nur?«
    Ich nippte an meinem Tee.
    »Ach, fragen Sie nicht«, gab ich zur Antwort.
    Und ganz so, wie es Emily Laings Art war, fragte sie doch.

Kapitel 14
Hinab!
    »Sie sollten längst zurückgekehrt sein«, höre ich Mièville sagen. Die Besorgnis, die sich von jeder Sekunde des Wartens nährt, ist noch immer da. Stärker als zuvor.
    »Sie haben es geschafft«, bemerke ich zuversichtlich.
    »Ihr spürt es?«
    Ich nicke nur.
    Zögerlich.
    Master Dickens, der hinten zwischen den Regalen steht und Bücher aus einer eben gelieferten Kiste einsortiert, sieht zu uns herüber. Neil Trent ist jetzt bei Aurora Fitzrovia. Und Maurice Micklewhite ist ins Museum zurückgekehrt, um Miss Monflathers zu unterrichten. Wie immer ist es Emily, um die ich mir Sorgen mache. Emily und ihre kleine Schwester, die wir im Abgrund zurücklassen mussten, weil Lycidas es uns befohlen hatte.
    Draußen schneit es, wie es immer geschneit hat. Dicke Flocken wirbeln durch die Nacht.
    Ich nippe an meinem Tee.
    Denke an King’s Moan, wo wir geredet hatten, und an Blackheath, wo wir hinabgestiegen waren in den Abgrund.
    Eigentlich hatte es dort begonnen. In Blackheath.
    Wo die Luft nach dem brackigen Wasser der Themse riecht. Wo sich Mushroom Manor mit seinen Erkern und Türmen und Palisaden aus dem Gewirr aus Eispflanzen und dunklem Moos erhebt, das man unterhalb des Greenwich Parks findet. Schattenhaft, wie es immer schon gewesen ist. Dort hat es begonnen.
    Also lassen Sie uns dorthin zurückkehren.
    Nach Blackheath.
    Das wir schon bald nach King’s Moan erreichten.
    Emily und Aurora waren schweigsam gewesen. Wir hatten die Taverne in dem alten Viertel verlassen und schnell feststellen müssen, dass das Reisen in der uralten Metropole zu einem gefährlichen Unterfangen geworden war. Gildehändler, auf die wir in den Abwasserkanälen trafen, berichteten von Kampfhandlungen, die das Gebiet unterhalb der City von London erfasst hatten.
    »Wir werden nur die entlegenen Pfade benutzen«, erklärte uns Mièville.
    Das würde zwar länger dauern, dafür aber eine sichere Passage gewähren.
    Es gab stillgelegte Tunnel der Stadtwerke, die zu Archiven degradiert worden waren. Voll gestopft waren sie mit Unterlagen. Belegen. Mikrofilmen. Bilanzen.
    »Die Gilde bewahrt in diesem Teil des Labyrinths ihre Geschäftsberichte auf«, kommentierte Mièville diese Gegend, die sich Emily in Gedanken wie ein lang gezogenes, röhrenförmiges Antiquariat ausmalte.
    Später dann gelangten wir in einen geräumigen Rundtunnel, der bis zur Decke

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