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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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hatte.
    Die Hölle, dachte Emily, ist kein Ort, an den man erst gelangen muss. Jeder trägt sie in sich.
    »Die Hölle«, erinnerte sie sich der Worte des Lichtlords, »ist die Wiederholung.«
    Der Nyx sperrte sie allesamt in der Hölle ein. Für jeden war die Wirklichkeit in diesem Augenblick die Hölle und die Hölle die Wirklichkeit. Es gab keinen Unterschied, und aus irgendeinem Grund, den sie nicht ganz verstand, war es Emily möglich, dies alles zu sehen. Dies alles zu verstehen. Nun ja, sie war eine Trickster, und vielleicht hatte es etwas mit ihrer Fähigkeit zu tun? Irgendwo in den Weiten des Abgrunds hielten sich die anderen auf, und wenn das, was Emily empfand, auch auf die anderen zutraf, dann sahen sie nicht mehr den Abgrund, sondern nur ihre eigene Hölle. Aurora sah den Raum mit dem Mann, und Mara sah den Werwolf, und Maurice Micklewhite stand am Ufer des dunklen Flusses und konnte den Tod Abberlines nicht verhindern. Jeder war dazu verdammt, in seiner eigenen Hölle zu leben. Jeder musste das, womit er solches Grauen verband, wieder und wieder erleben. Denn die Hölle, das wusste Emily nun, ist die Wiederholung.
    Sie selbst stand auf dem Bahnsteig am Leicester Square. Gerade hatte der einfahrende Zug Aurora mit sich gerissen. Sie war tot, und Emily schrie sich die Seele aus dem Leib. Alles erschien echt. So verdammt echt, dass es Emily schwer fiel, etwas anderes zu glauben. Doch waren da noch die anderen Bilder. Sie spiegelten sich in den Scheiben des Zuges, waren Teil der Leuchtreklamen, schimmerten auf den Brillengläsern der anderen Passanten.
    Leise Stimmen drangen aus den Lautsprechern.
    Wisperten.
    Emily sah, was die anderen durchmachten.
    Sie sah die Höllen ihrer Freunde und suchte nach einem Weg, wie sie daraus entkommen konnten.
    Sie sah!
    Und weil sie blind war und gar nicht mehr sehen konnte, musste das, was sie da sah, eine Illusion sein.
    Eigentlich stand sie noch immer in dem Korridor, der gebebt hatte.
    Im Abgrund.
    Was ging hier nur vor?
    Stand sie einfach nur da, während der dichte Nebel sie umschloss? Neben Wittgenstein, der anstelle des Jungen, dem er damals nicht hatte helfen können, unter dem Eis des zugefrorenen Sees gefangen war? Was geschah in Wirklichkeit, während sie alle in ihrer Hölle gefangen waren?
    Kamen die Rattlinge aus ihren Löchern gekrochen, um ihnen allen Leid anzutun?
    Fielen die Golemkrieger über sie her?
    Verschleppte man sie?
    »Zufälle gibt es nicht«, erinnerte sich Emily.
    Wenn das stimmte, dann musste es einen Sinn haben, dass sie all die Höllen sehen konnte. Dann musste es eine Möglichkeit geben, um mit den anderen in Kontakt zu treten. Little Neil und Aurora und die anderen hielten sich auch hier unten auf, so viel war sicher. Vielleicht waren die Schritte, die sie im Korridor vernommen hatten, die des Jungen aus dem Raritätenladen gewesen. Oder Auroras? Oder Master Micklewhites? Irgendwo hier unten trieben sich die anderen herum, waren vermutlich wie sie selbst in dem dichten Nebel gefangen und wussten nicht einmal, dass sie die Wirklichkeit des Abgrunds schon lange verlassen hatten.
    Was also tun?
    Sich den Abgrund bildhaft vorstellen?
    Als ein Haus mit unendlich vielen Zimmern?
    Ja, das könnte die Lösung sein.
    Es war nur ein Gefühl, aber dieses Gefühl bestärkte Emily in ihrem Entschluss, es wenigstens zu versuchen.
    Sie musste sich ein Bild von dem machen, was hier vorging. Stellte sich ein dunkles Haus vor, ähnlich Manderley Manor, in dem jedes Zimmer, jeder Raum, jeder Salon und jede Kammer jemandes Hölle war. Alle waren sie in diesem Haus gefangen. Doch konnten sie sich treffen. In Emilys Vorstellung war das Haus tatsächlich Manderley Manor ähnlich.
    Warum also sollten sie sich nicht am Fuße der gewundenen Treppe treffen?
    In der großen Halle.
    »Emmy!«
    Erneut schrie Aurora, stolperte, starb.
    In den Fenstern des Zuges spiegelten sich die Höllen der anderen, und Emily griff danach. Sie ging durch das dunkle Haus und hielt vor den verschlossenen Räumen an. Irgendwie konnte sie das. Legte ihre Hand auf die Türklinken und versuchte mit aller Kraft, sie hinunterzudrücken. Das Bild wurde unscharf, und ihre Hand rutschte ab. Sie rief nach den anderen, doch niemand hörte sie. Bis auf Mara. Ihre kleine Schwester, die irgendwo im Abgrund gefangen war, lauschte den Worten und gab Emily die Kraft, es erneut zu versuchen. Beide waren sie Tricksterkinder, und ihrer beider Talente verstärkten und unterstützten einander.
    »Folgt

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