Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Oberschenkel traf. Wütend heulte der Werwolf vor Schmerzen auf, als er in den tiefen Schnee stürzte.
    Vorsichtig näherte sich die bemantelte Gestalt dem verletzten Werwolf.
    »Guten Abend, Larry«, hörte Emily eine helle, ruhige Stimme sagen. »Sieht nicht so aus, als sei heute dein Glückstag.«
    Larry fauchte böse und bleckte die spitzen Zähne.
    Emily erkannte ihn wieder, und ihr schauderte, als sie sich an die Begegnung am U-Bahnhof Notting Hill Gate erinnerte.
    Ohne Vorwarnung rammte die Gestalt dem am Boden liegenden Werwolf ein langes Messer bis zum Schaft in die Kehle. Das bösartige Fauchen erstarb augenblicklich. Sekundenbruchteile später lag ein nackter Junge in einer sich im Schnee ausbreitenden Lache seines eigenen Blutes.
    »Er ist tot«, sagte die Gestalt.
    Trat den verschreckten Mädchen entgegen. Die Stimme klang beruhigend und Vertrauen erweckend.
    Es war Aurora, die als Erste die Sprache wiederfand. »Danke.«
    Und Emily fügte mit zitternder Stimme hinzu: »Wer sind Sie?«
    Mit einer schwungvollen Bewegung verbeugte sich die Gestalt und zog den großen Hut vor den beiden Mädchen. Wallendes blondes Haar ergoss sich über ihre Schultern. »Ich heiße Sie willkommen, meine Damen«, sagte die schwarz gekleidete Frau. »Mein Name ist Señora del Fuego, zu Ihren Diensten.« Sie warf einen vorsichtigen und zugleich höchst abschätzigen Blick auf die Leichname der Werwölfe.
    Lächelte.
    »Wittgenstein schickt mich.«
    Nach dem Frühstück suchten wir Maurice Micklewhite im Museum auf.
    Mylady Hampstead hockte während des ganzen Weges dorthin auf meiner Schulter, ließ sich den Schnee um die Nase wehen und gab mir jenes behütete Gefühl, das ich als Kind so oft in ihrer Gegenwart verspürt hatte. Ich entsann mich der langen Stunden, in denen ich, den Anweisungen der alten Ratte folgend, meine Trickster-Eigenschaften entdeckt und geschult hatte.
    Wie alle Ratten, so mochte auch Mylady Hampstead den fiebernden Pulsschlag der Stadt. Selbst an den typischen grauen und wolkenverhangenen Tagen konnte man das Leben in London fühlen, ja fast schmecken. Beide genossen wir es an diesem Morgen, uns den eisigen Wind in die Gesichter blasen zu lassen und uns im dichten, scheinbar nimmer enden wollenden Schneegestöber zu verlieren.
    Wir nahmen die lang gezogene Tottenham Court Road südwärts, überquerten schließlich den zugeschneiten Bedford Square und erreichten das Britische Museum gegen Mittag.
    Maurice Micklewhite hockte in seinem Büro bei einer Tasse Zitronentee, nahezu versteckt hinter einem Berg dicker Wälzer und gewellter Schriftrollen, die Hieroglyphen erkennen ließen. Erfreut stellten wir fest, dass der Elf vollauf genesen war. Elfenwunden verheilen schnell. Die blonden Locken wirkten so ungestüm und ungebändigt wie zuvor, und in den hellblauen Augen zeigte sich unverkennbare Abenteuerlust.
    »Ah, Mylady Hampstead«, begrüßte er der Etikette folgend die Rättin zuerst. »Wie ich sehe, haben Sie ein Auge auf Ihren Zögling geworfen.«
    Von Zeit zu Zeit
, sagte sie,
ist es an der Zeit
.
    Die Rättin grinste.
    »Guten Morgen, alter Mann.«
    Ich zog ein Gesicht.
    Müde und mürrisch.
    »Wir bringen Neuigkeiten«, kam ich augenblicklich zur Sache.
    Dann informierte ich Maurice Micklewhite über die Irrungen und Wirrungen im Familiengefüge der Familien Manderley und Mushroom.
    »Er war ein guter Mann.« Nachdenklich schaute der Elf zum Fenster hinaus.
    »Wer?«
    »Nicodemus Manderley.
Lord
Manderley.«
    »Natürlich, du hast ihn ja gekannt.«
    »Er wurde ermordet. An einem Wintertag in einem Hinterhalt. Von jemandem, der kein Gesicht hatte.«
    Maurice Micklewhite war alt, das wusste ich. Wie alt jedoch, war selbst mir nicht möglich, mit Bestimmtheit zu sagen. Tatsache war, dass er bereits alt war, als ich nach London gekommen war. Eine Berühmtheit war er bereits damals. Der Mann, der das Grauen vom Eastend beendet hatte. Ja, Maurice Micklewhite hatte im Auftrag der Metropolitan an der Aufklärung des Manderley-Mordes gearbeitet. Erfolgreich, sei hier angemerkt.
    »Die Artikel in den Zeitungen sind mir nicht entgangen«, bemerkte Maurice Micklewhite schließlich, und dann verfinsterte sich sein Blick für einen Moment. »Keine Spur von den Kindern?«
    »Frag nicht.«
    Er wirkte nachdenklich.
    Was sagen die Späher?
    »Es gab einige Aufregung in der Gerichtsmedizin in Soho«, antwortete Maurice Micklewhite. »Die Leichen der beiden Gestalten, deren man in der Finchley Road auf so unelegante

Weitere Kostenlose Bücher