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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Fuligin anlegen.«
    Ich sagte: »Ich tat es nur, weil ich mir nicht vorstellen konnte, anderswo als in unserm Matachin-Turm zu leben.«
    Eata nickte. »Ich konnte das durchaus. Ich träumte das ganze Jahr davon, auf dem Boot zu leben und Maxellindis und ihrem Onkel zur Hand zu gehen. Er wurde allmählich steif, und sie brauchten jemand, der flink und kräftig war. Ich wartete nicht, bis ich vor die Meister bestellt wurde, um meine Wahl zu treffen, sondern brannte durch.«
    »Und dann?«
    »Vergaß ich die Folterer, so schnell und so gründlich ich konnte. Erst neuerdings überlege ich wieder, wie es sich als Kind gelebt hat im Matachin-Turm. Du wirst es nicht glauben, Severian, aber ich habe jahrelang den Zitadellenhügel nicht anschauen können, wenn wir jenes Ufer flußauf oder flußab passiert haben. Ich habe immer die Augen abgewendet.«
    »Das glaube ich dir«, meinte ich darauf.
    »Maxellindis’ Onkel starb. Es gab ein Wirtshaus, in das er immer einkehrte, weit drunten im Süden in einem Delta. Das Dorf hieß Liti, wirst es nicht kennen. Eines Abends gesellten Maxellindis und ich uns zu ihm. Er saß, den Kopf in eine Hand gestützt, allein an einem Tisch vor Flasche und Glas. Als ich ihn an den Schultern rüttelte, kippte er vom Stuhl. Er war schon kalt.«
    »Menschen, denen der Wein längst den Tod gebracht hatte, lagen an Weinquellen und tranken unentwegt weiter, merkten sie vor lauter Benommenheit doch nicht, daß ihr Leben verstrichen war.«
    »Was?« fragte Eata.
    »Nur eine alte Geschichte«, warf ich ein. »Ist ohne Belang. Aber sprich weiter.«
    »Sodann arbeitete ich mit ihr allein auf dem Boot. Zu zweit schafften wir, was wir zuvor zu dritt geschafft hatten. Geheiratet haben wir nie. Wenn wir heiraten wollten, waren wir irgendwie immer knapp bei Kasse. Und wenn wir Geld hatten, gab’s immer Streit zwischen uns. Nach ein paar Jahren wurden wir dann sowieso für ein Ehepaar gehalten.« Er schneuzte sich und schleuderte den Schleim von Bord.
    »Weiter«, drängte ich.
    »Wir schmuggelten mitunter und wurden eines Nachts von einem Kutter gestoppt. Acht bis zehn Meilen südlich des Zitadellenhügels war’s. Maxellindis sprang – ich hörte das Platschen –, und ich wäre auch gesprungen, hätte nicht einer der Steuereintreiber mir ein Achico um die Beine geschleudert und mich zu Fall gebracht. Du weißt, was die mit einem machen, nicht wahr?«
    Ich nickte. »War ich da noch Autarch? Du hättest dich an mich wenden können.«
    »Nein. Ich dachte daran, war mir aber sicher, daß du mich wieder in die Zunft stecken würdest.«
    »Das hätte ich nicht getan«, erwiderte ich, »aber wäre das schlimmer gewesen als das, wie der Arm des Gesetzes mit dir verfuhr?«
    »Es hätte vor allen Dingen lebenslänglich gedauert. Das war der Gedanke, der mich immerzu beschäftigte. Jedenfalls nahmen sie unser Boot ins Schlepptau und brachten mich den Fluß hinauf. Ich wurde eingesperrt, dann dem Richter vorgeführt und verurteilt zu einer Prügelstrafe und zur Zwangsarbeit auf einer Karacke. Ich lag in Eisen, bis die Küste außer Sicht war, und ich mußte schuften wie ein Sklave, aber ich sah die Xanthischen Länder, wo ich über Bord sprang und zwei Jahre lang blieb. Lebt sich gar nicht so schlecht dort, wenn man Geld hat.«
    »Aber du bist zurückgekehrt«, hielt ich dagegen.
    »Es gab einen Aufstand, bei dem das Mädchen, mit dem ich zusammenlebte, umkam. Kommt alle paar Jahre zu Aufständen wegen der Lebensmittelpreise auf den Märkten. Die Soldaten greifen hart durch, und das hat meinem Mädchen bestimmt das Leben gekostet. Nun lag zu der Zeit eine Karavelle vor Anker an der Blaublumeninsel, und ich ging zum Kapitän und heuerte an. In der Jugend kann man fürchterlich töricht sein, und so bildete ich mir ein, Maxellindis hätte uns ein neues Boot beschafft. Als ich zurückkam, war sie freilich nicht auf dem Fluß. Ich sah sie nie wieder. Schätzungsweise kam sie ums Leben in jener Nacht, als der Kutter uns auf den Leib rückte.«
    Er machte, das Kinn in die Hand gestützt, eine Pause.
    »Maxellindis war ein fast so guter Schwimmer wie ich in meinen besten Zeiten. Du erinnerst dich, daß ich beinahe so gut schwamm wie Drotte und du. Vielleicht wurde sie von einer Wassernixe hinuntergezogen. Das passierte immer wieder, insbesondere im Unterlauf.«
    »Ich weiß«, pflichtete ich ihm bei und mußte an Juturnas Riesengesicht denken, das ich als Junge gesehen hatte, als ich um ein Haar im Gyoll ertrunken

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