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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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wäre dieser mein eigenes Gesicht und mein Gesicht eine Maske, die darauf starrte.
    Der alte Autarch, der in meinen Gedanken lebte, aber selten sprach, murmelte durch meine geschwollenen Lippen: »Finde einen anderen …«
    Nach einem Dutzend keuchender Atemzüge verstand ich, was er uns riet: daß es Zeit sei, diesen Körper dem Tod zu übergeben, Zeit für uns – Zeit für Severian und Thecla, Zeit für ihn und alle übrigen, die in seinem Schatten standen – selbst einen Schritt in den Schatten zu tun. Zeit für uns, jemand anders zu finden.
    Er lag, mit dunkler Schmiere bespritzt, zwischen zwei großen Maschinen. Ich bückte mich, wobei ich fast stürzte, und erklärte ihm, was er zu tun habe.
    Aber er war tot. Seine narbige Wange fühlte sich kalt an, das verkrüppelte Bein war gebrochen, der weiße Knochen ragte durch die Haut. Mit den Fingern drückte ich ihm die Augen zu.
    Es kam jemand mit hastigen Schritten. Bevor diese mich erreichten, machte sich jemand an meiner Schulter zu schaffen, glitt eine Hand in meinen Nacken. Ich sah das Licht seiner Augen, roch den Moschusgeruch seines haarigen Gesichts. Er hielt mir einen Becher an die Lippen.
    Ich kostete, hoffte auf Wein. Es war Wasser; kaltes, reines Wasser, das besser schmeckte als jeder Wein. Eine kehlige Frauenstimme rief: »Severian!« Und ein großer Seemann hockte sich neben mich. Erst als sie abermals sprach, erkannte ich ihre Stimme. »Es fehlt dir weiter nichts. Wir – ich fürchtete …« Sie fand keine Worte, sondern küßte mich statt dessen; dabei küßte uns beide auch das haarige Gesicht. Sein Kuß war flüchtig, aber der ihre nahm kein Ende.
    Mir ging die Luft aus. »Gunnie«, sagte ich, als sie endlich von mir ließ. »Wie fühlst du dich jetzt? Wir fürchteten schon, du stürbest.«
    »Ich auch.« Ich setzte mich jetzt auf; zu mehr wäre ich nicht imstande gewesen. Jedes Gelenk tat mir weh, am schlimmsten schmerzte mein Kopf, und der rechte Arm fühlte sich an, als hätte ich ihn ins Feuer gesteckt. Der Ärmel meines samtenen Hemds hing in Fetzen davon, und die Haut war mit einer gelben Salbe bestrichen. »Was ist mit mir geschehen?«
    »Du mußt in den Luftschacht gestürzt sein – da haben wir dich gefunden. Das heißt Zak. Er kam und holte mich.« Gunnie deutete mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf den hadrigen Zwerg, der mir den Wasserbecher hingehalten hatte. »Davor hast du dich wohl verbrannt.«
    »Verbrannt?«
    »An einem Lichtbogen, als irgend etwas durchgebrannt ist. Ist mir auch schon mal passiert. Schau!« Sie trug ein graues Arbeitshemd; das zog sie nun ein wenig nach unten und zeigte mir die Haut zwischen ihren Brüsten, die feuerrot und mit der gleichen Salbe bestrichen war. »Ich arbeitete im Maschinenhaus. Als ich mich verbrannte, schickten sie mich in die Krankenstube. Sie schmierten dieses Zeug drauf und gaben mir eine Tube davon für später – ich schätze, darum hat Zak gerade mich geholt. Aber das ist jetzt etwas zuviel für dich, wie?«
    »Schon.« Die seltsam gewinkelten Wände fingen an sich zu drehen, drehten sich mit träger Würde, wie sich einst die Totenschädel um mich gedreht hatten.
    »Leg dich wieder hin, während ich dir etwas zu essen hole. Zak wird auf Gierer aufpassen. Aber soweit unten gibt’s wohl gar keine.«
    Ich wollte ihr hundert Fragen stellen. Mehr noch wollte ich mich hinlegen und schlafen, falls der Schmerz mich schlafen ließe; kaum hatte ich diesen Gedanken gefaßt, lag ich schon da und schlief ein.
    Dann kam Gunnie zurück mit einer Schale und einem Löffel. »Atole«, sagte sie. »Iß das.« Es schmeckte wie altbackenes, in Milch gekochtes Brot, war aber warm und machte satt. Ich hatte wohl fast aufgegessen, bevor ich wieder in Schlaf fiel.
    Als ich wieder erwachte, lag ich nicht mehr in Agonie, hatte aber noch Schmerzen. Meine fehlenden Zähne fehlten nach wie vor, Mund und Kiefer waren noch wund; auf der Seite des Kopfes hatte ich eine Beule von der Größe eines Taubeneis, und die Haut meines rechten Arms platzte allmählich auf trotz der Salbe. Zehn Jahre oder länger war es her, daß ich von Meister Gurloes oder einem der Gesellen verprügelt worden war, und ich merkte, daß ich Schmerz nicht mehr so routiniert wie einst wegstecken konnte.
    Ich versuchte mich abzulenken, indem ich meine Umgebung betrachtete. Der Ort, an dem ich lag, kam mir nicht wie eine Kabine, sondern eher wie ein Spalt in einer großen Maschine vor, wie ein verborgener Winkel, wo man Zeug findet, das

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