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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihren Korb nicht voll, da das Licht der einzigen Talglampe nicht ausreichte, um ordentlich zu arbeiten. Der ständige Ärger mit dem Webermeister deswegen war das eine, die unberechenbarenLaunen des Stiefvaters das andere und weitaus schlimmer. Vor allem: Sie wusste nie, ob er auf dem Nachhauseweg nicht den fetten alten Nachtwächter aufgabelte und mitbrachte. Der sah sie jetzt schon als sein Eigentum, begaffte und begrabschte sie und machte anzügliche Bemerkungen. Ihr blieb nichts anderes, als diese Unflätigkeiten zu erdulden, auch wenn sie innerlich kochte, und zu hoffen, dass ihr Stiefvater irgendwann einschritt. Meist tat er dies auch mit der immer gleichen blöden Bemerkung: «Jetzt aber mal langsam mit den jungen Gäulen.»
    Fast war ihr, als trüge sie selbst Schuld an ihrer Lage; so schlecht fühlte sie sich, dass sie ihrer Schwester kein Wort von dieser unglückseligen Heiratsabrede erzählt hatte. Bis die es von Niklas erfuhr, auf einem ihrer Sonntagsspaziergänge.
    «Sag, dass das nicht wahr ist, Eva! Nicht dieser Ekelbatzen!»
    Sie hatten sich bereits auf den Heimweg gemacht, eiligen Schrittes, da es zu dämmern begann. Eva blieb stehen und schluckte, doch es half nichts: Plötzlich rannen ihr die Tränen übers Gesicht. Sie, die gelernt hatte, sich in gleich welcher Situation zusammenzureißen, zumindest vor ihrem Stiefvater und ihrem kleinen Bruder, konnte nun gar nicht mehr aufhören zu weinen, die Tränen und der Kummer der ganzen letzten Monate und Jahre flossen aus ihr heraus.
    Josefina drückte sie fest an sich. «Wir müssen das irgendwie verhindern. Dieser widerliche alte Saubär könnt dein Großvater sein! Was ist unser Stiefvater nur für ein Scheusal!»
    Sie strich Eva die Tränen aus dem Gesicht. «Mir wird schon was einfallen, glaub mir. Hauptsache, Vater lässt dich   –»
    Sie stockte.
    «Was?» Eva hatte seit längerem schon das Gefühl, dass ihre Schwester ihr etwas verheimlichte.
    «Nichts. Jetzt komm. Ich muss vor Dunkelheit am Brückentor sein.»
    Als Eva und Niklas zu Hause eintrafen, war ihr Vater bereits aus der Schenke zurückgekehrt, in der er sich den ganzen restlichen Sonntag verkrochen hatte. Wenigstens hatte er den Herd eingeheizt.
    «Auf geht’s, ihr Faulpelze, macht das Essen fertig! Und zwar ein bisserl üppiger als sonst, Bomeranz kommt zum Nachtessen.»
    Eva verzog angewidert das Gesicht. Es würde ein furchtbarer Abend werden.
    «Bleib bloß wach, solange es geht», flüsterte sie dem kleinen Bruder zu, als sie sich ans Schneiden der Kohl- und Rübenstrunke machten.
    Tatsächlich wurde der Abend noch schrecklicher, als sie es befürchtet hatte. Nachdem Bomeranz sein Essen schmatzend und schlürfend vertilgt hatte, quetschte er sich neben Eva auf die Bank und legte den Arm um sie.
    «Und jetzt trinken wir endlich mal auf unsere Heiratsabrede. Hab nämlich ein wunderbares Wässerchen mitgebracht.» Er zog den prallgefüllten Schlauch heran, der selbst im verschlossenen Zustand nach Branntwein stank. «Was ist, Gallus, hast du keine Becher im Haus? Ein bisserl schicklich sollte es schon zugehn, bei so einem Anlass.»
    «Ich hol die Becher», sagte Eva. «Wenn Ihr erlaubt, räum ich auf, bevor ich mich dazusetze.»
    Bomeranz nickte gnädig. «So gefällt mir das. Ganz die künftige Hausfrau.»
    Eva ließ sich alle Zeit der Welt mit dem Abräumen, dem Spülen der Schüsseln, dem Schrubben der Töpfe und Holzbrettchen, aber irgendwann musste sie doch Platz nehmen neben dem Nachtwächter. Zu ihrem Schrecken sah sie, dass Niklas ebenfalls zum Trinken genötigt worden war. Ganz glasig war sein Blick.
    «Auf unsere Zukunft!» Bomeranz schenkte sich und Eva ein, hob den Becher und nahm einen tiefen Schluck. Dann stierte er Eva erwartungsvoll an.
    «Na los, trink!»
    Sie hasste dieses Zeug, das in Mund und Kehle brannte und die Mannsbilder binnen kurzem zu grölenden, torkelnden Affen machte. Noch widerlicher aber war der Kuss, den Bomeranz ihr jetzt auf die Lippen drückte.
    «Was bist du nur für ein goldiges Küken», hauchte er.
    Die nächsten beiden Stunden blieb Eva nur zu hoffen, Bomeranz würde bald so sturzbesoffen sein, dass ihr Vater ihn vor die Tür setzte. Sie selbst nippte nur an ihrem Becher. Dennoch bildete sich um sie herum bald eine Art Nebel, der sich immer wieder vor ihre Augen schob, hörte wie aus weiter Ferne die groben Scherzworte, das Gelächter und Gerülpse der beiden Männer, spürte Bomeranz’ bärtige Wange, seine nassen Lippen an ihrem Gesicht.

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