Die Vampir-Dschunke
den Nerv. So wollte er erst sich lediglich notdürftig abtrocknen, dann wieder zurück zu Suko und dieser blonden Chimäre gehen, die so überraschend erschienen war und sich als eine Blutsaugerin geoutet hatte.
Hainan verstand die Welt nicht mehr. Er wusste überhaupt nicht, in welche Richtung er noch denken sollte. In seinem Kopf war alles zu einem großen Durcheinander verkommen. Für ihn hatten sich Tore geöffnet und Dinge präsentiert, die er nicht für möglich gehalten hätte. Aber sie stimmten. Er würde sich damit auseinander setzen müssen.
Jemand betrat das Bad nach einem kurzen Klopfen. Es war Lisa, die verlegen lächelnd vor der Schwelle stehen blieb.
»Kann ich etwas für dich tun? Dir einen heißen Tee kochen oder dir noch Handtücher bringen?«
Der Mann gab keine Antwort. Er konnte nur starren. Er schaute an Lisa vorbei und sah, dass in der offenen Tür zwei Gebilde erschienen waren. Weiße Gestalten, die sich lautlos bewegten, und die man auch als Geister hätte ansehen können.
Zitternd hob er seinen rechten Arm an. »D... da... da...«
Lisa verstand nichts, Lisa sah nichts...
Und als sie etwas spürte, da war es bereits zu spät. Da nahmen die beiden Gestalten plötzlich menschliche Umrisse an, und zwei graue Klauen hielten rostige Dolche fest, die sie in den Hals der Frau stießen.
Hainan sah erstarrt alles mit an.
Lisa brach zusammen. Sie geriet aus seinem Blickfeld. Dafür blieben die beiden Mörder da. Sie kamen auf ihn zu, und Hainan wusste, dass er keine Chance mehr hatte, zu entkommen...
***
Suko brauchte nicht nachzuprüfen, was mit Lisa geschehen war. Der entsetzte Gesichtsausdruck und auch der leere Blick sagten ihm genug. Außerdem waren die Wunden am Hals einfach schlimm. Das Blut hatte sich darum herum wie ein Schal verteilt.
Wer immer diesen schrecklichen Mord begangen hatte, er war verschwunden. Der oder die Mörder hatten das Haus betreten und Hainan mitgenommen. Oder ihn ebenfalls getötet und irgendwo abgelegt.
Suko ärgerte sich besonders darüber, dass all dies geschehen war, während sich Justine und er im Haus befanden. Die Wesen waren eingedrungen, ohne entdeckt worden zu sein. Genau das gab dem Inspektor Rätsel auf. Er konnte sich schlecht in die andere Seite hinein versetzen und wusste deshalb nicht, wie sie es geschafft hatte, das Haus zu betreten. Das bereitete ihm Kopfzerbrechen.
Das Bad war leer, und er ging wieder zurück zu Justine Cavallo, die sich ebenfalls nicht wohl fühlte. Suko ging langsam auf die Gestalt der Blonden zu. Er sah sie im Garten, wo Justine hin und her ging.
Als Suko den Durchgang erreicht hatte und stehen blieb, drehte sich die Vampirin um.
»Du kommst ohne ihn?«
»Ja. Er ist verschwunden.«
Die Cavallo lachte auf. »Dann hättest du besser auf ihn achten sollen, mein Freund.«
»Die andere Seite ist wohl schneller gewesen, und sie hat uns eine Tote hinterlassen.«
Das überraschte die Cavallo schon. »Wie kommst du darauf?«
»Lisa liegt im Bad. Man hat ihr die Kehle durchgeschnitten. Sie wollten wohl keine Zeugin haben. Sie waren also da, und wir können jetzt davon ausgehen, dass sie sich in unserer Nähe befinden oder zumindest befunden haben. Mehr kann ich dir auch nicht sagen, Justine.«
Die blonde Bestie überlegte. Ihr Gesichtsausdruck blieb dabei so glatt wie immer. Nur als sie die Lippen verzerrte, entstanden einige Falten um ihren Mund herum. Mit wütend und mit zischend klingender Stimme erklärte sie, dass sie es gewusst hatte.
»Was hast du gewusst?«
»Dass sie sich in meiner Nähe aufhalten. Ich habe sie gespürt. Sie waren um mich herum, verflucht! Aber ich habe sie nicht gesehen, und das ist eben schlimm.«
»Dann frage ich mich, warum wir sie nicht gesehen haben.«
Justine verengte die Augen. »Ganz einfach, weil wir es nicht konnten. Ja, es war unmöglich. Und ich tendiere allmählich zu der Lösung, dass sie unsichtbar waren. Blutsauger, die sich nicht zeigen. Die unseren Blicken verborgen bleiben, wenn du verstehst. Nur so kann es ihnen gelungen sein, hier einzudringen und den Tod zu bringen.«
»Was bedeutet das für uns?«
»Du weißt es.«
»Ja.« Suko nickte. »Wir können das Haus verlassen und uns auf den Weg machen.«
»Genau. Zur Dschunke.«
Die Idee hatte Suko ebenfalls gehabt. Justine war ihm nur zuvorgekommen. Die alte Dschunke hatten sie bisher außen vorgelassen, weil sich der Fall für sie anders entwickelt hatte.
Suko stellte eine Frage, die ihn schon länger quälte. »Hast
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