Die Vampir-Dschunke
hätten sie auf mich achten müssen, aber sie waren beschäftigt. Es gab jemand in ihrer Mitte, der für sie ungemein wichtig war.
Ein Mensch, den ich nie gesehen hatte, dessen Namen ich allerdings kannte. Ein Chinese und zugleich der Grund, weshalb die verdammte Dschunke London angelaufen hatte.
Seine Stimme hörte ich.
Er sprach nicht, weil das nicht mehr möglich war. Ich hörte ihn nur schreien und jammern. Es war sogar zu sehen, wie er sich bewegte und um sich schlug, als man ihn in die Höhe riss.
Dann hingen plötzlich mehrere Schatten an ihm. Obwohl die Gestalten bewaffnet waren, setzten sie ihre Waffen nicht ein, denn sie hatten etwas anderes vor, das ihnen sehr entgegenkam. Sie waren Vampire, sie wollten Blut, und sie holten es sich.
Zu mehreren hingen sie wie Kletten an der Gestalt. Ihre Mäuler befanden sich in Halshöhe, und dort bissen sie auch zu.
Sie jagten ihre spitzen Messerzähne in die Haut des Mannes. Sie trafen dabei Adern, sie ließen das Blut sprudeln, das sie mit großem Genuss tranken.
Ich erkannte es an den zuckenden Bewegungen und musste zugleich einsehen, dass ich zu spät gekommen war. Etwas hing über dem Kopf des Chinesen nach unten und endete in seiner Gesichtshöhe. Es konnte ein Strick sein, den jemand um den Hals des Mannes geschlungen hatte.
Kräftige Hände zogen ihn hoch.
Hainan wurde aufgehängt. Er zappelte noch mit den Beinen, wand sich, aber er kam nicht frei. Etwa einen Meter über den Planken blieb er hängen, wobei er sacht von einer Seite zur anderen schaukelte.
Sie haben es geschafft. Ihre Rache war vollendet. Sie hatten Hainan ausgeschaltet, jedoch auf eine bestimmte Art und Weise, denn er war tot und war zugleich in eine andere Existenz übergegangen. Er würde wieder erwachen, denn man hatte ihn erst aufgehängt, nachdem sich die Blutsauger an seinem Lebenssaft gelabt hatten.
Mochte er auch einiges getan haben, was verderblich gewesen war, dieses Schicksal hatte er nicht verdient.
Ich fluchte leise vor mich hin. Der Auftrag der Besatzung war erledigt. Einer Rückkehr stand nichts mehr im Wege. Genau das wollte ich verhindern.
In der rechten Hand hielt ich längst meine Beretta. Ich hatte auch das Kreuz vor die Brust gehängt, obwohl ich nicht daran glaubte, dass es mich groß schützen würde, denn diese Wesen stammten aus einer anderen Zeit und einer anderen Kultur.
Ich vertraute auf mein Glück, und dachte an Justine Cavallo und Suko, die unterwegs waren.
Aufrecht, aber auch so leise wie möglich näherte ich mich dem Mast mit dem Segel, das seinen tiefen Schatten auf das Deck der Dschunke warf.
Das nächste Vorhaben der Vampirbrut wollte ich vereiteln oder so lange wie möglich hinauszögern.
Ich musste sie überraschen.
Deshalb schaltete ich meine Leuchte an und richtete den Lichtstrahl genau auf die verdammte Bande unter dem Segel...
»Und?«, fragte Justine Cavallo, als Suko das Handy wieder weggesteckt hatte.
»John hat sie gesehen.«
»Weiter!«
»Er ist an der Dschunke.«
»Will er sie entern?«
»Ja, er will eine Flucht der verdammten Bande verhindern. Und ich denke, dass wir uns beeilen sollten.«
»Genau.«
Für die Blutsaugerin gab es nur diese eine Antwort. Alles andere würde sie in die eigenen Hände nehmen. Sie wartete auch nicht darauf, dass Suko ihr folgte. Mit einer schnellen Drehung hatte sie ihn stehen lassen und rannte in die Dunkelheit.
Auch Suko lief den Weg zum Fluss hinab. Er war schnell, aber gegen eine Justine Cavallo kam er nicht an, denn sie besaß Kräfte, von denen Menschen nur träumen konnten...
***
Ein richtiger Scheinwerfer hätte natürlich mehr Licht gebracht. Von dem konnte ich nur träumen, und so musste ich mich auf meine kleine Leuchte verlassen.
Plötzlich bekamen die Schattenumrisse ein Gesicht. Die Blutsauger standen nicht mehr in der absoluten Dunkelheit. Das helle Licht malte sie an und gab ihnen die starken Konturen, sodass sie für mich perfekt zu sehen waren. Das Licht strahlte hinein in ihre Gesichter, die nicht mehr waren als blasse Fratzen. Überzogen mit einer Haut, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie nun verweste oder nicht.
Ich versuchte, sie zu zählen. Zehn von ihnen konnte ich gut erkennen, aber im Hintergrund entdeckte ich ebenfalls Bewegungen.
Ich nutzte die Gunst des Augenblicks und lief auf sie zu. Die Beretta hielt ich zwar nach vorne gerichtet, weigerte mich allerdings, schon jetzt zu schießen. Das wollte ich erst, wenn eine bestimmte Situation eintrat, und die
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