Die Vampirjaegerin - Till the End of Time
glauben konnte. Und obwohl sie vieles wusste, war sie selbst nicht frei von Grenzen, Einflüssen oder Vorurteilen. Sie selbst war trotz all dem in ihrer eigenen gedanklichen Schublade gefangen, auch wenn diese unter Umständen größer war als die anderer Menschen. Aber nicht zuletzt hatte sie ihr eigenes Schicksal zu dem geformt, was sie jetzt war: eine Vampirjägerin.
Sie hatte eine gute Ausbildung genossen. Ohne ihre eigenen Instinkte jedoch wäre sie schon unzählige Male getötet worden. Sie war eine gute Jägerin – und sie war es, weil sie ein Ziel hatte: Rache. In sehr seltenen und schwachen Momenten fragte sie sich, ob Rache allein ein gutes Motiv dafür war, andere, am Mord ihrer Eltern unbeteiligte Vampire zu töten. Aber letztlich konnte sie sich ihr Leben nicht mehr ohne die Jagd vorstellen. Und die Vampire hatten es ohnehin nicht anders verdient. Jeder Vampir, den sie tötete, war ein Geschenk an die Menschen.
Jetzt jedenfalls saß sie dicht hinter einem Vampir, der vor einigen Monaten noch ein Mensch war und von anderen Menschen für ein Experiment missbraucht worden war: zu seiner Vampirwerdung – zumindest, wenn man ihm seine Geschichte glauben konnte. Aber diese Geschichte erschien gerade jetzt sehr glaubwürdig.
Ihr Körper war an die Wand gepresst. An ihren nackten Beinen spürte sie die kalte Eisenkette, die Fessel, die den Vampir bändigte.
Die schwere Eisentür hatte sich quietschend geöffnet, und drei Männer waren hereingestürmt. Alle waren schwarz gekleidet und hatten ihre Gesichter durch übergezogene Skimasken verhüllt.
Wieder blickte Sayura in den Lauf einer Gewehrmündung.
Der Vampir vor ihr fauchte die Männer an wie ein wildes Tier, das in der Falle saß.
„Wir wollen nicht dich, wir wollen sie! Da du sie nicht zu einem Vampir machst, ist sie nutzlos für uns. Außerdem gefällt uns euer Geplauder nicht, genauso wenig wie eure nonverbale Kommunikation. Wenn du erst lange genug hier warst, wirst du das nächste Opfer mit Genuss nach unseren Vorstellungen formen. Du weißt Freiheit offenbar nicht zu schätzen, mein Freund!“, predigte einer der Männer sogleich. Er war im Türrahmen stehen geblieben.
Die anderen beiden Männer standen vor Sayura und dem Vampir. Beide hielten Gewehre auf sie gerichtet. Zweifelsohne handelte es sich um Menschen, wie ihre Bewegungen es Sayura verrieten.
„Ich bin nicht dein Freund, Arschloch!“, knurrte der Vampir.
Er wurde durch die Kette an seinem Hals schwer in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Sayura sah sich Kette und Verschluss kurz an, wühlte dann wieder in ihrem Haar. Was hatte sie zu verlieren? Sie konnte entweder getötet werden durch die irren Maskenmänner oder von dem Vampir. Gegen vampirische Kräfte hatte sie eher noch eine Chance als gegen menschlichen Wahnsinn. Wie weit war sie gesunken? Jetzt zog sie die Gegenwart eines Vampirs derjenigen der Menschen vor. „Aber das war eine Notsituation“, rechtfertigte sie ihre Entscheidung vor sich selbst.
„Natzuya, gib sie frei!“, forderte der Mann an der Tür nun in ungeduldigem Tonfall.
Ein kurzes klickendes Geräusch erfüllte plötzlich den Raum, dann folgte ohrenbetäubende Stille. Sayura sah die Männer der Reihe nach an, sie schienen wie eingefroren. Angst war das Einzige, was in ihren Augen erkennbar war. Sie hatten das Geräusch nicht eindeutig ausmachen können, aber sie wussten, dass es nicht durch sie erzeugt worden war.
„Du bist frei!“, flüsterte sie dem Vampir dann zu und steckte ihre Haarnadel zurück in ihr Haar. Ihr Flüstern war merkwürdig laut. Er schien ebenso überrascht wie ihre Entführer.
Die Männer wussten um die Kraft des Vampirs, den sie geschaffen hatten. Er war eine gefährliche Waffe, und nun gab es keine Kette mehr, die ihn hielt. Sie wussten, dass er nicht ihr Freund war und nur auf eine Chance wartete, sie umzubringen, denn sie waren es, die einen jungen, starken und gesunden Mann entführt hatten, um ihn für ihre Zwecke zu einem Vampir zu machen. Er war gefährlich, selbst wenn sich dieser neu erwachte Vampir nicht einmal dessen bewusst war, wie groß seine Fähigkeiten tatsächlich waren. Alles, was sie ihm bisher beigebracht hatten, waren einfach Basics, die sein und ihr Überleben sicherten. Würde er sich seiner Fähigkeiten bewusst, wäre es ihm ein Leichtes, seine Entführer mit einem einzigen Blick zu willenlosen Marionetten zu machen; aber dieses Wissen hatten sie ihm bewusst vorenthalten.
„Folge mir!“,
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