Die verborgene Grotte
dämmerte bereits.
»Die ganze Sache wird immer undurchsichtiger«, sagte Sara. »Warum will Ekwall in der Grotte sprengen? Es ging ihm doch darum, die Fahrrinne zu erweitern, oder täusche ich mich?«
Weiter kam sie nicht, denn Karl gab ihr ein Zeichen, still zu sein.
»Hör mal! Im Hafen tut sich was!«
Jetzt hörte Sara es auch. Jemand sprach durch ein Megafon. Die Stimme war verzerrt und wurde immer wieder von Rückkopplungen unterbrochen. Die beiden rannten über das freie Grundstück neben der Fabrikantenvilla an den Rand der Klippe und stellten sich an den Zaun, der die Leute davor bewahren sollten, den Witwenfels hinunterzustürzen.
Im schwarzen Wasser des Hafenbeckens lagendie Schlauchboote der Umweltaktivisten, angestrahlt von den Scheinwerfern des Sprengbootes und eines Seenotrettungskreuzers. Es hätte eine gute Filmszene abgegeben. Dann wurde die Megafonstimme wieder laut.
»Ich wiederhole«, sagte die Stimme, »der Zeitzünder ist aktiviert, die Uhr läuft. Verlassen Sie umgehend das Hafengebiet!«
Doktor Ekwall stand an der Reling des Seenotrettungskreuzers und beugte sich übers Wasser. Allerdings machte nicht er die Durchsage, sondern ein Mann im orangefarbenen Overall, vermutlich der Sprengmeister.
»Wenn ihr sprengt, obwohl wir hier sind, ist das Mord!«, schrie eine Frau von einem der Schlauchboote. »Dann klebt unser Blut an euren Händen!«
Mama. Diese Stimme erkannte Karl überall.
Der Sprengmeister zögerte und Ekwall riss das Megafon an sich.
»Mach es nicht so dramatisch, Louise. Wir haben euch gewarnt. Wenn ihr euch entscheidet, hierzubleiben, handelt es sich ganz einfach um Selbstmord. Wie gesagt, der Zeitzünder ist aktiviert. Es bleiben noch exakt … neun Minuten. Macht mit der Information, was ihr wollt.«
Sogar aus dieser Entfernung glaubte Karl zuerkennen, dass der Doktor die Situation genoss. Besonders als die Leute in den Schlauchbooten nach kurzer Diskussion aufgaben, ihre Motoren starteten und langsam in Richtung Brücke zurücktuckerten. Da straffte Ekwall den Rücken, gab dem Sprengmeister das Megafon zurück und klopfte ihm zufrieden auf die Schulter.
»Der ist doch total verrückt«, murmelte Karl.
Saras Augen blitzten vor Wut.
»Wir müssen runter zum Hafen!«
Energisch machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte los. Karl lief ihr eilig hinterher. Aber als sie an der Straße in Richtung Hafen abbiegen wollten, bemerkte Sara aus den Augenwinkeln ein Auto und runzelte verwundert die Stirn.
»Ist das nicht Miriams Wagen?«
Tatsächlich. In der Auffahrt zur Fabrikantenvilla stand ordentlich geparkt Miriams schwarzer Chrysler.
»Sie muss zurückgekommen sein, als wir vorne an der Klippe waren«, sagte Karl.
Erst war ihm gar nicht bewusst, was das bedeutete, aber dann erstarrte er mitten in der Bewegung. Miriam würde den Zettel auf dem Küchentisch finden. Den Zettel, auf dem stand, dass er und Sara im Keller waren. Sie würde ihnen nachgehen und die Falltür finden, rufen und keineAntwort bekommen. Und dann würde sie in die Grotte hinuntersteigen, die in wenigen Minuten durch die Explosion einzustürzen drohte.
»Wir müssen sie aufhalten!«
Atemlos stürmten sie in die Fabrikantenvilla, riefen und suchten. Keine Miriam.
»Sie ist schon unten«, keuchte Sara.
Miriams Mantel lag neben der Luke, die noch immer festgenagelt war. Karl und Sara steckten den Kopf durch die Öffnung und riefen. Keine Antwort.
»Sie hört uns nicht. Wir müssen runter und sie holen.«
»Das schaffen wir nicht mehr!«
Karl sah auf die Uhr.
»Es sind nur noch ein paar Minuten.«
Sie sahen sich an, es blieb ihnen keine Zeit zum Nachdenken. Sara war es, die schließlich eine Entscheidung traf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, kletterte sie die lange Eisenleiter hinunter.
Die Fackeln an der Wand brannten noch und so kamen sie das erste Stück bis zu dem schmalen Gang schnell voran. An der Treppe blieben sie stehen und lauschten. Karl glaubte ein Platschen aus dem Kristallsaal zu hören. Miriam hatte die Quelle gefunden!
Die Treppe nach unten war kein Problem, aber sie hielten den Abstand zum Wasserloch so groß wie möglich – als machte das einen Unterschied, wenn alles explodierte.
Sara erreichte die zweite Treppe als Erste, aber Karl folgte ihr dicht auf den Fersen.
»Nicht!«
Karl hörte die Panik in Saras Stimme, und als er in den Kristallsaal kam, sah er, warum sie geschrien hatte. Miriam stand an der Quelle. Mit beiden Händen hielt sie den Kelch fest
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