Die verborgene Wirklichkeit
großräumigen Geometrie des Raumes – und insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob der Raum insgesamt endliche oder unendliche Ausmaße hat. Da die Unterscheidung zwischen endlich und unendlich für unsere Gedanken über Parallelwelten von zentraler Bedeutung ist, möchte ich hier die Möglichkeiten genauer erläutern.
Das kosmologische Prinzip – die unterstellte Gleichförmigkeit des Kosmos – bedeutet für die Geometrie des Raumes eine Einschränkung, denn die meisten Räume sind nicht gleichförmig genug, um als Baustein der kosmologischen Modelle infrage zu kommen: Sie haben hier eine Ausbeulung, dort eine Abflachung oder hier und da eine Verzerrung. Nun ist es zwar nicht so, als ließe sich aus dem kosmologischen Prinzip eine einzige Geometrie unserer drei Raumdimensionen ableiten, aber immerhin werden die Möglichkeiten auf eine stark eingeschränkte Kandidatengruppe reduziert. Selbst Profis haben Schwierigkeiten, sich diese Raumformen bildlich vorzustellen. Hilfreich ist aber die Tatsache, dass die Situation in zwei Dimensionen mathematisch genau analog ist und sich tatsächlich bildlich wiedergeben lässt.
Betrachten wir zu diesem Zweck zunächst einmal eine vollkommen runde Billardkugel. Ihre Oberfläche ist zweidimensional (genau wie auf der Erdoberfläche können wir jeden Ort auf der Oberfläche der Billardkugel durch zwei Zahlenwerte – beispielsweise analog zur geografischen Länge und Breite – beschreiben; das meinen wir, wenn wir die Oberfläche zweidimensional nennen) und völlig gleichförmig in dem Sinn, dass jede Stelle genau wie jede andere aussieht. Mathematiker bezeichnen die Oberfläche der Billardkugel als zweidimensionale Kugelfläche , die eine konstante positive Krümmung aufweist. Salopp ausgedrückt, bedeutet »positiv«, dass unser Spiegelbild auf einem solchermaßen gekrümmten Spiegel in die Länge und in die Breite gezerrt wäre, und »konstant« heißt, dass die Verzerrung überall gleich aussieht, unabhängig davon, an welcher Stelle der Kugel sich die Spiegelung abspielt.
Als Nächstes stellen wir uns eine völlig glatte Tischplatte vor. Wie die Billardkugel, so hat auch sie eine gleichförmige Oberfläche. Wenn wir Ameisen wären und über die Tischplatte kriechen würden, würde sich uns tatsächlich von jeder Stelle der Platte die gleiche Aussicht bieten wie von jeder anderen. Das gilt allerdings nur, solange wir uns von der Tischkante fernhalten, aber es ist nicht
schwer, diese unschöne Einschränkung zu beseitigen: Wir brauchen uns bloß eine Tischplatte ohne Kanten vorzustellen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste wäre eine Tischplatte, die sich nach rechts, links, vorn und hinten unendlich weit fortsetzt. Eine solche unendlich große Oberfläche ist ungewöhnlich, aber damit ist das Ziel der Vermeidung von Kanten, an denen man herunterfallen könnte, erreicht. Die zweite Möglichkeit wäre eine Tischplatte, die einem Bildschirm aus der Frühzeit der Videospiele ähnelt. Wenn Ms. Pacman den linken Rand überschreitet, taucht sie am rechten wieder auf; verschwindet sie am unteren Rand, ist sie plötzlich oben zu sehen. Eine wirkliche Tischplatte kann man zwar nicht in dieser Weise umbauen. Aber das, was ich hier beschrieben habe, ist ein völlig zulässiger geometrischer Raum, der als zweidimensionaler Torus bezeichnet wird. Ausführlicher erörtere ich diese Form in den Anmerkungen; 9 hier brauche ich nur auf zwei Eigenschaften hinzuweisen: Wie die unendlich große Tischplatte ist auch der Videospiel-Bildschirm gleichförmig und eben, und er hat keine Kanten oder Ränder. Die scheinbaren Grenzen, an die Ms. Pacman stößt, sind Fiktionen; sie können überschritten werden, und trotzdem bleibt man im Spiel.
In der Sprache der Mathematiker haben die unendliche Tischplatte und der Videospiel-Bildschirm eine konstante Krümmung null . »Null« bedeutet in diesem Zusammenhang: Würden wir unser Spiegelbild in einer spiegelblanken Tischplatte oder einem Videospiel-Bildschirm betrachten, wäre dieses Bild in keiner Richtung verzerrt, und »konstant« bedeutet wie zuvor, dass das Bild immer gleich aussieht, ganz gleich, an welcher Stelle wir es betrachten. Der Unterschied zwischen den beiden Gebilden wird nur aus einer globalen Perspektive deutlich: Wenn wir uns auf einer unendlichen Tischplatte auf den Weg machen und immer die gleiche Richtung beibehalten, kommen wir nie mehr nach Hause; auf einem Videospiel-Bildschirm dagegen können wir nach einer
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