Die verborgene Wirklichkeit
Gravitationswellen messen können.
Kosmische Hintergrundstrahlung
Dass die kosmische Hintergrundstrahlung für die Erforschung der Quantenphysik nützlich ist, hat sich bereits erwiesen: Die gemessenen Temperaturunterschiede in der Strahlung entstehen durch Quantenfluktuationen, die durch die Expansion des Raumes stark vergrößert wurden. (Erinnern wir uns noch einmal an die Analogie mit einer winzigen Nachricht, die auf einen zusammengeschrumpften Luftballon geschrieben wurde und erst dann sichtbar wird, wenn man den Ballon aufbläst.) Während der Inflationsphase expandiert der Raum um einen so gewaltigen Faktor, dass selbst winzigste Spuren, wie sie von Strings hinterlassen werden könnten, sich auf ein nachweisbares Maß ausdehnen – dieser Nachweis könnte dem Satelliten »Planck« der Europäischen Weltraumorganisation ESA gelingen. Erfolg oder Fehlschlag hängen davon ab, wie sich die Strings in den ersten Augenblicken des Universums im Einzelnen verhalten haben – was für eine Nachricht sie also auf den nicht aufgeblasenen kosmischen Ballon geschrieben haben. Zu dieser Frage hat man verschiedene Ideen entwickelt und Berechnungen angestellt. Jetzt warten die Theoretiker darauf, dass die Daten für sich sprechen.
Tabelle 4.1 Experimente und Beobachtungen, die das Potenzial haben, eine Verbindung zwischen Stringtheorie und Daten herzustellen.
Stringtheorie, Singularitäten und Schwarze Löcher
In der großen Mehrzahl der Fälle können Quantenmechanik und Gravitation sich gegenseitig fröhlich ignorieren: Die Quantenmechanik bestimmt das Verhalten kleiner Dinge wie Moleküle und Atome, die Gravitation das von großen wie Sternen und Galaxien. Aufgeben müssen beide Theorien ihre Trennung jedoch in Bereichen, die unter der Bezeichnung Singularitäten bekannt sind. Eine Singularität ist eine beliebige, reale oder hypothetische, physikalische Situation, die so extrem ist (riesengroße Masse, geringe Größe, gewaltige Krümmung der Raumzeit, Löcher oder Risse im Gewebe der Raumzeit), dass Quantenmechanik und Allgemeine Relativitätstheorie in die Irre gehen: Sie liefern Ergebnisse ähnlich der Fehlermeldung, die ein Taschenrechner anzeigt, wenn man eine beliebige Zahl durch null dividiert.
Eine Haupterrungenschaft jeder ernstzunehmenden Quantentheorie der Gravitation müsste darin bestehen, Quantenmechanik und Gravitation so zu verschmelzen, dass Singularitäten vermieden werden. Die mathematischen Methoden solch einer Theorie sollten niemals versagen, nicht einmal im Augenblick des Urknalls oder im Zentrum eines Schwarzen Lochs, 15 und so eine sinnvolle Beschreibung für Situationen liefern, welche die Wissenschaftler bisher vor Rätsel stellen. An dieser Stelle hat die Stringtheorie ihre eindrucksvollsten Fortschritte gemacht und eine wachsende Liste von Singularitäten gezähmt.
Mitte der achtziger Jahre erkannte die Arbeitsgruppe um Lance Dixon, Jeff Harvey, Cumrun Vafa und Edward Witten, dass bestimmte Löcher im Gewebe des Raumes (die sogenannten Orbifold-Singularitäten ), bei denen Einsteins Mathematik kläglich versagt, für die Stringtheorie kein Problem darstellen. Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt darin, dass punktförmige Teilchen zwar in solche punktförmigen Löcher fallen können, Strings aber nicht. Da Strings ausgedehnte Objekte sind, können sie gegen ein Loch stoßen, sich um das Loch herumwickeln oder darin stecken bleiben, aber diese vergleichsweise harmlosen Wechselwirkungen lassen die Gleichungen der Stringtheorie völlig intakt. Das ist nicht deshalb wichtig, weil solche Störungen des Raumes tatsächlich vorkommen – das kann sein oder auch nicht –, sondern weil die Stringtheorie genau das liefert, was wir von einer Quantentheorie der Gravitation erwarten: ein Mittel zur Beschreibung von Situationen jenseits dessen, was Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik jeweils für sich allein bewältigen können.
In den neunziger Jahren stellte sich durch Arbeiten, die ich zusammen mit Paul Aspinwall und David Morrison in Angriff nahm, sowie unabhängig davon auch durch Befunde von Edward Witten etwas Wichtiges heraus: Die
Stringtheorie kann auch noch stärkere Singularitäten (sogenannte Flop-Singularitäten ) handhaben, in denen ein kugelförmiger Raumbereich zu ungeheuer geringer Größe zusammengepresst ist. Die intuitive Überlegung dazu lautet: Wenn ein String sich bewegt, kann er über den zusammengepressten Raumklumpen hinwegfegen wie ein
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