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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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zwei Formen haben: Schleifen und Schnipsel, auch geschlossene und offene Strings genannt. Ich habe diese Unterscheidung bisher nicht erwähnt, denn für das Verständnis vieler übergeordneter Merkmale der Theorie ist sie nicht entscheidend. Wenn es aber um Branwelten geht, muss man unbedingt zwischen Schleifen und Schnipseln unterscheiden; warum das so ist, wird an einer einfachen Frage deutlich. Können Strings von einer Bran wegfliegen? Die Antwort: eine Schleife schon, ein Schnipsel nicht.

    Abbildung 5.4 Branen sind die einzigen Stellen, an denen die Enden von Stringschnipseln sich überhaupt befinden können.
    Wie der angesehene Stringtheoretiker Joe Polchinski als Erster erkannte, hat das alles mit den Enden eines Stringschnipsels zu tun. Die Gleichungen, die die Physiker davon überzeugten, dass Branen zur Stringtheorie gehören, offenbarten auch, dass zwischen Strings und Branen eine intime Beziehung besteht. Branen sind die einzigen Stellen, an denen die Enden von Stringschnipseln sich überhaupt aufhalten können ( Abbildung 5.4 ). Die Berechnungen zeigten es deutlich: Wenn man das Ende eines Strings von einer Bran trennen will, versucht man das Unmögliche, so als würde man sich darum bemühen, π kleiner oder die Quadratwurzel aus 2 größer zu machen. Physikalisch betrachtet, ist es so, als wollte man den Nord- oder Südpol von den Enden eines Stabmagneten entfernen. Es geht einfach nicht. Stringschnipsel können innerhalb einer Bran mühelos hin und her gleiten, aber sie können sie nicht verlassen.
    Wenn solche Gedanken mehr als interessante mathematische Überlegungen sind, und wenn wir tatsächlich auf einer Bran zu Hause sind, dann erleben wir gerade jetzt den Schraubstockgriff, den unsere Bran auf die Enden von Strings ausübt. Sie brauchen nur einmal versuchen, von unserer Drei-Bran hinunterzuspringen. Versuchen Sie es noch einmal, kräftiger. Vermutlich sind Sie immer noch da. In einer Branwelt handelt es sich bei den Strings, die uns und die ganze übrige gewöhnliche Materie bilden, um Schnipsel. Wir können zwar auf und ab springen, einen Baseball vom ersten zum zweiten Base werfen oder eine Schallwelle vom Radio zum Ohr senden, ohne dass die Bran auch nur den geringsten Widerstand leistet, aber wir können die Bran nicht verlassen . Wenn wir versuchen,
von ihr herunterzuspringen, halten uns die Enden unserer Stringschnipsel an der Bran fest, ohne dass wir daran etwas ändern könnten. Unsere Wirklichkeit könnte eine schwebende Scheibe in einer höherdimensionalen Weite sein, wir sind jedoch dauerhaft gefangen und nicht in der Lage, uns in den größeren Kosmos hinauszuwagen und ihn zu erkunden.
    Das gleiche Bild gilt für jene Teilchen, die die elektromagnetische Kraft und die Kernkräfte übertragen. Wie die Analyse zeigt, entstehen auch sie aus Stringschnipseln. Am bemerkenswertesten unter ihnen sind die Photonen, die Überträger der elektromagnetischen Kraft. Das sichtbare Licht, ein Strom aus Photonen, kann ungehindert durch die Bran von diesem Text zu den Augen des Lesers oder von der Andromeda-Galaxie zur Wilson-Sternwarte wandern, nur der Bran entkommen kann es nicht. Vielleicht ist eine andere Branwelt nur wenige Millimeter entfernt, doch da das Licht die Kluft nicht überqueren kann, werden wir nie auch nur den geringsten Hinweis auf ihre Existenz sehen.
    Nur eine Kraft ist in dieser Hinsicht anders: die Gravitation. Das charakteristische Merkmal der Gravitonen wurde in Kapitel 4 bereits erwähnt: Sie haben den Spin 2, doppelt so viel wie Teilchen, die (wie die Photonen) aus Stringschnipseln entstehen und die anderen Kräfte übertragen. Da Gravitonen den doppelten Spin einzelner Stringschnipsel haben, kann man sich vorstellen, dass sie aus jeweils zwei Schnipseln bestehen, deren Enden miteinander verschmolzen sind, so dass sie eine Schleife bilden. Und da eine Schleife keine Enden hat, lässt sie sich von den Branen auch nicht gefangensetzen. Gravitonen können also in eine Branwelt eintreten und sie wieder verlassen. Demnach ist die Gravitation im Branwelt-Szenario das einzige Mittel, mit dem wir außerhalb unseres gewohnten dreidimensionalen Raumes auf die Suche gehen können.
    Diese Erkenntnis spielt eine zentrale Rolle für einige der in Kapitel 4 erwähnten Tests, mit denen sich die Stringtheorie überprüfen ließe ( Tabelle 4.1 ). In den achtziger und neunziger Jahren – bevor die Branen auf der geistigen Bildfläche erschienen – gingen die Physiker davon aus, dass

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