Die verborgene Wirklichkeit
Verbindung zum vertrauten Bereich der Alltagsrealität herstellen wollte. In der Stringtheorie gibt es aber mehr als nur drei Raumdimensionen. Und eine höherdimensionale Weite bietet mehr als genug Raum zur Aufnahme von mehreren Drei-Branen. Fangen wir einmal vorsichtig an und malen wir uns aus, es gebe zwei riesengroße Drei-Branen. Sich das bildlich vorzustellen, findet sicher manch einer schwierig. Mir geht es mit Sicherheit so. Die Evolution hat uns darauf vorbereitet, Objekte zu erkennen, die Gelegenheiten oder Gefahren mit sich bringen und sich breit und deutlich innerhalb des dreidimensionalen Raumes befinden. Deshalb können wir uns zwar leicht zwei gewöhnliche dreidimensionale Objekte ausdenken, die sich in einem Abschnitt des Raumes befinden, aber nur die wenigsten können sich ein Bild von zwei nebeneinander existierenden, aber getrennten dreidimensionalen Gebilden machen, von denen jedes den dreidimensionalen Raum vollständig ausfüllt. Um die Erörterung des Branwelt-Szenarios zu vereinfachen, lassen wir deshalb in unseren bildlichen Darstellungen eine Raumdimension weg und stellen uns das Leben auf einer riesigen Zwei-Bran vor. Und um uns ein eindeutiges geistiges Bild zu machen, denken wir uns die Zwei-Bran als eine riesige, außerordentlich dünne Scheibe Brot. m
Um die Metapher wirksam zu nutzen, können wir uns vorstellen, dass die Scheibe Brot die Gesamtheit dessen enthält, was wir traditionell als Universum bezeichnen – Orion-, Pferdekopf- und Krebsnebel, die gesamte Milchstraße, Andromedanebel, Sombreronebel und Whirlpool-Galaxie et cetera –, alles, was sich innerhalb unserer dreidimensionalen räumlichen Weite befindet, und sei es auch noch so weit entfernt; in Abbildung 5.3(a) ist das bildlich angedeutet. Eine zweite Drei-Bran brauchen wir uns dann einfach nur als zweite riesengroße Brotscheibe vorzustellen. Wo befindet sie sich? Ordnen wir sie neben unserer eigenen an, nur in mindestens einer der zusätzlichen Dimensionen ein wenig verschoben ( Abbildung 5.3 [b]). Ebenso einfach ist es, sich drei, vier oder eine beliebige andere Zahl von Drei-Branen auszumalen. Wir fügen dem kosmischen Brotlaib einfach weitere Scheiben hinzu. Und obwohl die Metapher vom Brotlaib zunächst an eine Sammlung von Branen denken lässt, die parallel zueinander ausgerichtet sind, kann man sich leicht andere Möglichkeiten vorstellen. Die Branen können beliebig orientiert sein, und nach dem gleichen Prinzip können auch Branen mit jeder anderen höheren oder niedrigeren Dimensionalität hinzukommen.
Abbildung 5.3 ( a) Im Branwelt-Szenario stellt man sich vor, dass das, was wir traditionell für den gesamten Kosmos halten, in einer dreidimensionalen Bran angesiedelt ist. Zur besseren Übersichtlichkeit lassen wir eine Raumdimension weg und zeigen die Branwelt so, als ob sie nur zwei Dimensionen hätte; gezeigt ist außerdem nur ein endlicher Ausschnitt jeder Bran, die womöglich unendlich weit ausgedehnt sind. (b) Die höherdimensionalen Weiten der Stringtheorie können viele Parallel-Branwelten aufnehmen.
Für alle Branen unserer Sammlung gelten die gleichen grundlegenden Gesetze der Physik, denn sie alle gehen aus ein und derselben Theorie hervor, der String-/M- Theorie. Aber wie bei den Blasenuniversen im inflationären Multiversum, so können äußere Umstände, beispielsweise der Wert dieses oder jenes Feldes, das sich durch eine Bran zieht, oder auch die Zahl der Raumdimensionen, die eine Bran definieren, deren physikalische Eigenschaften tief greifend beeinflussen. Manche Branwelten ähneln vielleicht unserer eigenen und sind mit Galaxien, Sternen und Planeten angefüllt, während andere ganz anders aussehen. Auf einer oder mehreren dieser Branen könnten sich Wesen befinden, die sich wie wir ihrer selbst bewusst sind und früher einmal dachten, ihre Bran-Scheibe – der sie umgebende Raum – sei der gesamte Kosmos. Im Branwelt-Szenario der Stringtheorie erkennen wir jetzt, was für eine engstirnige Sichtweise das war. In diesem Szenario ist unser Universum nur eines von vielen, die das Branen-Multiversum bevölkern.
Als das Branen-Multiversum unter Stringtheoretikern erstmals erwogen wurde, konzentrierte man sich sofort auf eine nahe liegende Frage. Wenn es gleich nebenan riesige Branen gibt, wenn ganz in der Nähe vollständige Paralleluniversen schweben wie eine Brotscheibe an der anderen, warum sehen wir sie dann nicht?
Klebrige Branen und die Tentakel der Gravitation
Strings können
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