Die Verborgenen
wollte die Leiche beseitigen, indem er sie in so kleine Stücke hackte, dass er sie durch den Abfluss in der Küche spülen konnte. Man ist nicht mehr derselbe, wenn man so etwas gesehen hat – es verändert einen. Pookie hatte Fälle erlebt, die ihm zeigten, wie böse Menschen sein konnten, Fälle, die ihn an seinem Glauben zweifeln ließen. Denn wie konnte ein liebender Gott zulassen, dass diese Dinge geschahen? Ja, er hatte an Gott gezweifelt, an seiner Fähigkeit, diese Arbeit zu verrichten, und bei mehr als einer Gelegenheit sogar am amerikanischen Justizsystem. Doch nie hatte er in den sechs Jahren, in denen sie Partner waren, an Bryan Clauser gezweifelt.
Nie. Bis jetzt.
Die Polizisten am Tatort hatten Meacham Place sowie eine der drei Fahrspuren der Post Street abgesperrt, wodurch der morgendliche Verkehr, der hier ohnehin nur in einer Richtung verlief, weiterrollen konnte. Zwei Einsatzfahrzeuge des SFPD standen am Straßenrand. Zwei weitere parkten rechts und links des Zugangs zur Allee direkt auf dem Bürgersteig. Ein halbes Dutzend uniformierter Beamter war vor Ort, um die Leute fernzuhalten und die Fußgänger in ruhigem Ton anzuweisen, die gegenüberliegende Straßenseite zu benutzen. Die Lichter auf den Wagen blinkten blau und rot. Wie ein Aasgeier parkte der Transporter der Gerichtsmedizin in der Nähe und wartete darauf, dass das CSI-Team seine Arbeit beendet hatte, sodass die Leiche von ihnen übernommen werden konnte.
Pookie stand auf dem Bürgersteig neben dem inzwischen offenen schwarzen Gittertor. Er blieb in Bryans Nähe. Beide hatten sie sich ihre Marken um den Hals gehängt. Pookie starrte in die Gasse und sah den Kriminaltechnikern Sammy Berzon und Jimmy Hung zu. Sie trugen dunkelblaue Windjacken mit dem weißen SFPD -Schriftzug auf dem Rücken. Was sie fanden, konnte möglicherweise Pookies besten Freund festnageln.
Doch die Wahrheit musste ans Tageslicht kommen.
Bryan sah schrecklich aus. Seine grünen Augen und seine bleiche Haut bildeten einen scharfen Kontrast zu seinem dunkelroten Bart. Er schien unter Schock zu stehen, doch Pookies Fragen konnten nicht warten. Sie ließen sich nicht aufschieben, bis es Bryan besser gehen würde.
»Sag’s mir noch mal«, forderte Pookie seinen Partner auf. Er sprach leise. Nur Bryan konnte ihn hören. »Wo warst du letzte Nacht?«
Bryan neigte seinen Kopf näher zu ihm heran und antwortete ebenso leise. »In meiner Wohnung. Ich bin sofort nach Hause gegangen, nachdem Sharrow mich weggeschickt hat.«
Pookie erinnerte sich daran, wie Bryan an seinem Schreibtisch eingeschlafen war – Bryan, der noch keinen einzigen Tag wegen Krankheit gefehlt und noch nie die kleinste Erkältung gehabt hatte.
»Gestern warst du krank«, sagte Pookie. »Wie geht’s dir heute?«
»Schlechter. Alles tut mir weh. Ich glaube, ich habe Fieber oder irgendwas Ähnliches.«
Pookie nickte. Konnte das Fieber so schlimm gewesen sein, dass Bryan letzte Nacht während der dunklen Stunden, die er so liebte, nach draußen gegangen war und diesen Jungen abgeschlachtet hatte? Und dass er sich, was noch hinzukam, daran nicht einmal erinnerte?
»Du bist also nach Hause gegangen«, sagte Pookie. »Was ist dann passiert?«
»Ich habe mich hingelegt. Ich glaube, ich habe ziemlich tief geschlafen. Der Albtraum hat mich gegen halb drei, drei geweckt. Während ich wach war, habe ich ein paar Bilder gezeichnet, und dann habe ich wieder geschlafen.«
»Und das kann niemand bestätigen, keine Freundin, kein Nachbar, kein Vermieter – niemand?«
Bryan nagte an seiner Unterlippe und schüttelte den Kopf. Natürlich hatte er kein Alibi. Er lebte allein. Er hatte keine Verabredung mehr gehabt, seit er bei Robin ausgezogen war.
Bryan hatte Pookie direkt zur Leiche geführt und ihm sogar deren Zustand beschrieben. Dass er über ein so detailliertes Wissen verfügte, konnte nur bedeuten, dass er mit jemandem gesprochen hatte, der die Tat beobachtet oder selbst begangen hatte, oder …
… oder, und das war die offensichtlichste Möglichkeit: Bryan hatte es selbst getan.
Unmöglich.
Aber war es wirklich unmöglich? Bryan wurde Terminator genannt, und natürlich hatte das einen Grund. Er war kühl, distanziert und – am allerwichtigsten – tödlich. Hatte er nach der Szene mit Lanza die Nerven verloren?
Pookie konnte das nicht glauben. Hätte es Bryan Clauser nicht gegeben, wäre Pookie nicht mehr am Leben. Vielleicht hatte Bryan manchmal etwas von einem Roboter, sicher, aber ebenso
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