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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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auf den Kopf und zog sie ihm bis über die Augen. Und ehe er sie wieder hochschieben konnte, saß die Schmiedin schon hinter ihm auf dem Pferd.
    Die Jagd begann.
    Lange bevor über den Baumspitzen eine blutleere Wintersonne aufging, bereute Tobbs seine Entscheidung bitter. Er wünschte sich nichts mehr, als wieder in der Taverne zu sein. Auf festem Boden, im Warmen.
    Wanja hielt ihn so fest umklammert, dass er kaum Luft bekam, und die Luft, die dennoch in seine Lunge gelangte, verwandelte diese in eine Eishöhle, in der jeder Atemzug erst einmal Schlittschuh lief. Aber Wanja kannte kein Erbarmen und Rubin wurde wunderbarerweise nicht müde und raste in ungebremstem Galopp durch den Schnee.
    Den neunten Hügel hatten sie schon vor Stunden hinter sich gelassen und der Wald, in den sie nun eintauchten, war noch dichter als auf den anderen Hügeln. Rubin sprang über umgestürzte Bäume und surfte auf allen vieren gekonnt über vereiste Tümpel. Tobbs, dem von all dem Geschlitter und Geschaukel längst speiübel geworden war, schwor sich, nach diesem Ausflug nie, nie, nie wieder auf ein Pferd zu steigen. Gleichzeitig hielt er besorgt nach Verfolgern Ausschau, doch alles, was er zu Gesicht bekam, waren die erstaunten Augen eines Schneefuchses, der die beiden Reiter aus dem Schutz einer knorrigen Wurzel heraus musterte.
    Endlich ließ Wanja das Pferd in einen kantigen Trab fallen und hielt es an. Sie waren mitten im düstersten Wald. Nicht einmal der unberührte Schnee konnte ihn zu einem helleren Ort machen. Die Stille war so dicht, dass Tobbs ein kalter Schauer über den Rücken jagte. Ein Astloch blinzelte ihm zu, eine knorrige Eichenhand bewegte die Finger. Im Nebel konnte man geisterhafte Fratzen erahnen. Kein Zweifel – sie hatten das Reich der Baba Jaga betreten.
    »Sind wir da?«, flüsterte Tobbs.
    »Scht!«, zischte Wanja und ließ ihn los. Tobbs schwankte vor Schwäche und wäre um ein Haar vom Pferd gefallen, doch Wanja hatte ihn bereits grob am Arm gepackt und in den Schnee gestellt, bevor sie selbst von Rubins Rücken sprang. Sie ging schnurstracks auf eine verbogene Birke zu und wedelte mit der Hand. Der Nebel lichtete sich augenblicklich. Tobbs hob erstaunt die Augenbrauen. Wanja stand direkt vor einem Gartenzaun! Pfosten reihte sich an Pfosten. Und auf jedem von ihnen steckte ein Totenschädel!
    Wanja trat zu dem dritten Schädel von links, der eine verrostete Krone trug, und sprach ihn direkt an.
    »Guten Tag, Prinz Fjodor! Ein schöner Morgen, nicht wahr? Fremde Gäste im Haus?«
    Der Schädel wackelte leicht. »Geing«, lallte er. »Geinge Gächge.«
    Wanja atmete erleichtert auf und wandte sich zu Tobbs um. »Die Luft ist rein. Komm her, jetzt müssen wir nur noch sehen, ob Jaga zu Hause ist.«
    Rubin gab ein gemeines Quieken von sich. Ehe Tobbs reagieren konnte, fällte ihn schon ein hinterhältiger Stoß zwischen die Schulterblätter und er landete mit dem Gesicht voran im Schnee. Hastig kroch er aus der Reichweite von Rubins Zähnen.
    »Du miese Mähre!«, zischte er dem Pferd zu.
    Wanja winkte ihn ungeduldig zu sich. »Du musst den Schädel um Einlass bitten.«
    »Der Schädel ist ein Türwächter?«
    »Natürlich! Er ist sozusagen die Mamsie Matata Rusaniens.«
    Tobbs schluckte und trat widerwillig näher. Todesfeen mochte er, aber Tote waren ein ganz anderes Thema. Sie hatten zu viel Zeit, sich Unsinn auszudenken.
    »Ha… hallo!«, sagte er zu den leeren Augenhöhlen.
    »Oach ichg gu geng hüa einga?«, fragte der Schädel.
    Tobbs runzelte die Stirn. »Äh, bitte?«
    Der Schädel schnaubte. Hätte er noch Augäpfel gehabt, dann wäre das Schnauben sicher von einem genervten Augenrollen begleitet worden. Wanja trat an Tobbs heran und raunte ihm die Übersetzung ins Ohr. »Er fragt: ›Was bist du denn für einer?‹ Du musst dich ihm vorstellen. Und sei höflich, hörst du?«
    »Warum spricht er nicht deutlich?«, flüsterte Tobbs zurück.
    »Weil er sich zu Lebzeiten über Tante Jagas Kochkünste beschwert hat«, antwortete Wanja. Sie streckte ihre Zunge heraus und deutete mit Zeigefinger und Mittelfinger eine Schere an. Tobbs merkte, dass ihm immer noch übel war. Noch übler als vorhin, um genau zu sein.
    »Ja, äh … also«, wandte er sich an den Schädel. »Ich heiße Tobbs. Ich wohne in der Taverne, in der auch Wanja arbeitet, und bin Schankjunge. Und ich würde gerne … also ich bitte darum, in Jagas Haus eingelassen zu werden.«
    »Hükche!«, befahl der Schädel

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