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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Anguana, und Tobbs wurde schlagartig klar, dass nichts auf der Welt sie aufhalten würde. In knappen Worten erklärte sie den Nymphen, was sie tun sollten, und wandte sich dann Tobbs zu. Mit einer sehr resoluten Geste streckte sie ihm die Hand hin und er ergriff sie, ohne zu zögern. In dem Augenblick, als sich ihre vom Bergwind kalten Finger um seine Hand schlossen und sie gemeinsam vor die Tür traten, fühlte er grenzenlose Erleichterung.
    Die Nymphen hatten sich in die Quelle zurückgezogen und betrachteten aus sicherer Entfernung, wie Janus zur Klinke griff, die er aus einem Stück Holz und einer zerbrochenen Krabbenschere improvisiert hatte. An seinem Ringfinger funkelte der Ring des roten Reiters.
    »Nicht erschrecken«, flüsterte Tobbs Anguana zu. »Die Zeit läuft auf den verfluchten Inseln um den Faktor 130,4 schneller. Im ersten Augenblick wirst du denken, dein Kopf explodiert.« Anguana schenkte ihm nur ein grimmiges Lächeln. Sonnenschein ließ ihr Haar aufleuchten, als Janus die Tür aufriss und den beiden überflüssigerweise auch noch einen Schubs zwischen die Schulterblätter versetzte.

INSELURLAUB
    Sie trudelten in die Hitze, verglühten im Wirbel der Nanosekunden und taumelten durch die Zeiten. Tobbs blieb die Luft weg, sein Herz schlug Purzelbäume und sein Kreislauf überdrehte wie ein Rad, das im Sand heiß lief, ohne von der Stelle zu kommen. Hand in Hand sackten Anguana und er auf dem Strand zusammen und blieben japsend liegen. Weit hinter ihnen nahmen sie die Schläge von Janus’ Axt wahr, die nach und nach verhallten. Und als Tobbs sich aufsetzte und zurückblickte, war da keine Tür mehr. Von dem magischen Tor waren nur noch einige Trümmer übrig geblieben. Sie waren in Tajumeer. Nun gab es kein Zurück mehr.
    Anguana stand auf und sah sich staunend um. In ihrem Gesicht spiegelten sich die Eindrücke von Tobbs’ eigenen Erlebnissen. Er konnte darin lesen wie in einem Buch: das Staunen, die Ehrfurcht, die Begeisterung über die Farben. Und dann die Entdeckung des verkohlten Haufens, der einmal Baba Jagas Haus gewesen war.
    »Oh nein!«, rief sie und ließ Tobbs’ Hand los. Sie rannte auf die Trümmer zu. Tobbs blickte nachdenklich auf ihre Fußspuren im Sand – ein Menschenfuß und der Abdruck eines Ziegenhufs. Die tajumeerische Sonne hatte während Tobbs’ kurzer Abwesenheit schon längst den Zenit überschritten und tauchte den baumlosen Strand in schräges Abendlicht. Der Fischgeruch der toten Tümpelnixe war inzwischen noch durchdringender geworden und warf Tobbs nun beinahe um.
    Anguana kniete bereits neben der Leiche, als Tobbs bei ihr ankam. Wütend wischte sie sich die Tränen von den Wangen.
    »Dafür werden sie büßen! Was hat eine harmlose Tümpelnixe ihnen schon getan?«
    Tobbs dachte mit Unbehagen an die Raubtieraugen, die ihn im hohlen Baum in Rusanien angestarrt hatten.
    »Nichts«, murmelte er. »Sie hat vermutlich nur ihren Zweck erfüllt. Die roten Reiter fackeln nicht lange.«
    »Wir müssen sie zum Meer bringen!«
    »Damit die Haie sie fressen?«
    »Willst du eine Nixe in der Sonne liegen lassen?«
    »Wir können sie begraben.«
    »Auf dem trockenen Land?« Der giftige Blick, den Anguana ihm zuwarf, ließ ihn verstummen.
    »Außerdem haben Nixen grünes Süßwasserblut«, fuhr sie fort. »Den Hai will ich sehen, der sich damit vergiften will!«
    Tobbs musste einsehen, dass er zwar einiges über Todesfeen wissen mochte, seine Kenntnisse der Nixenkultur jedoch eher spärlich waren.
    »Na gut«, murmelte er. »Aber wir müssen uns beeilen.«
    Es war ein elendes Stück Arbeit, den glitschigen Körper in Sternblätter zu wickeln und ihn über den Sand zum Wasser zu schleifen. Tobbs vermied es, einen Blick auf die austrocknende Fischhaut der Nixe zu werfen. Was er da sah, verunsicherte ihn mehr, als er zugeben wollte. In der Taverne gab es eine Menge Tote, die quicklebendig herumliefen, sich stritten oder mit anderen Geistern Poker spielten, aber diese Gesetze galten hier nicht. Dieses Fischmädchen hatte friedlich in einem vereisten Tümpel geschlafen, bis die Reiter sie in einen grausamen Krieg hineingerissen hatten. Tobbs wagte nicht, darüber nachzudenken, was die skrupellosen Krieger erst Wanja und Mauis Musikern angetan haben mochten.
    Anguana zog die Nixe behutsam in das salzige Wasser. Das Wasser wurde rasch tiefer, ging ihr bis zur Hüfte, dann bis zu den Schultern. Zur Riffkante, die sich weit draußen durch ein Band aus weißem Schaum zu erkennen gab,

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