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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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sehen, wer zu ihm gesprochen hatte!
    Tellergroße Augen starrten ihn aus einer greisenhaften Fratze an. Tobbs stieß einen Schrei aus und prallte zurück.
    »He, ich weiß ja, dass ich keine Schönheit bin, aber jetzt übertreibst du wirklich«, sagte Domovoj gekränkt.
    Tobbs fuhr hoch, obwohl der Schmerz ihm durch den Arm schoss. Gerade noch sah er, wie die Splitter, Steintrümmer und Staubpartikel hochwirbelten und in Windeseile den gesprengten Durchgang wieder verschlossen. Dann saß Tobbs vor der Mauer im Tavernenflur, als wäre er nie fort gewesen.
    »Er war pünktlich!«, frohlockte der Hauskobold. »Auf die Minute! Hab ich es nicht gesagt? Auf Tobbs ist Verlass, hab ich gesagt!«
    »Dann sag ich dir jetzt auch was«, erklang Dopoulos’ mürrische Stimme. »Das war das allerletzte Mal, dass du in meiner Taverne irgendwas gesprengt hast, Domovoj! Und jetzt geh mir aus den Augen, bevor ich dich den Minotauren zum Fraß vorwerfe.«
    Der Hauskobold senkte kleinlaut den Kopf. »Ist ja gut«, maulte er und schlurfte beleidigt davon.
    »Warte!«, schrie Tobbs. »Die Frau eben! Wer war das?«
    Seine Gliedmaßen waren immer noch taub, aber er spürte dennoch das Holz der Dielen unter seinen Händen. Moment mal: Hände?
    Nicht weit von ihm lag sein nasses Fuchsfell auf dem Boden. Und hier, direkt unter seinen Augen, waren Finger, Handflächen und Arme und … eine hässliche Bisswunde auf seinem linken Unterarm, die jedem Vegetarier Albträume beschert hätte.
    »Jetzt noch mal von vorn«, knurrte Dopoulos mit gefährlicher Geduld. »Neki ist in Doman, eine Telegrammlibelle ist auf dem Weg hierher, die Sonne ist verschwunden und die Tanukis wollen Katuro vernichten?«
    Tobbs nickte und schniefte. Sein Arm stak in einem dicken weißen Verband und vor ihm dampfte eine Tasse heißer Medizin gegen das Kappa-Gift. Inzwischen konnte er zumindest wieder mit den Zehen wackeln und auch seine Beine knickten nicht mehr bei jedem Schritt ein.
    Der Dielenboden bebte leicht, und auch die blattgrüne Flüssigkeit in der Tasse vibrierte im Takt des fernen Stampfens, das aus dem Keller durch das Haus hallte. Die Party der Minotauren hatte offenbar Phase  II erreicht: Techno-Polka.
    Gegenüber von Tobbs saßen Dopoulos und Wanja. Die meisten Gäste waren längst gegangen, nur am großen Wirtshaustisch neben der Schanktheke vergnügten sich die Schicksalsfrauen noch beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel. Tobbs hätte schwören können, dass mindestens eine der kleinen Holzfiguren ihm bis aufs Haar glich.
    Die Schicksalsfrau des Südens – eine rothaarige Schönheit – hatte entschieden zu viel getrunken und die Kontrolle über ihre Zischlaute verloren.
    »Na, Tssobsss?«, lallte sie und ließ grinsend die Würfel in ihren Händen klappern. »Ssssollich dich auss’m Schpiel rausswürfeln? Dann tsuttsss ganichmehr weh!«
    »Hör nicht auf sie«, sagte Wanja und warf der Schicksalsfrau einen bösen Blick zu.
    Tobbs’ Ankunft hatte die Tavernenschmiedin offenbar aus dem Schlaf gerissen. Sie war blass, ihre Locken waren zerzaust und auf einer Wange hatte sie noch den Abdruck eines Strohkissens. Ihre warmen Augen aber blickten hellwach und besorgt. Doch heute konnte nicht einmal Wanjas Gegenwart Tobbs trösten.
    »Und da ist noch etwas: Wir müssen Anguana retten«, fuhr er kläglich mit seinem Bericht fort. »König Tanuki hält sie gefangen. Eine Nixenhändlerin hat sie an ihn ausgeliefert.«
    Die Stille, die daraufhin eintrat, hätte jedem Toten Angst eingejagt. Tobbs hob den Blick und sah Dopoulos an.
    Der Wirt bebte. Aber nicht vor Schreck, sondern wie ein Vulkan, der sich zum Ausbruch bereit macht. Seine Halbglatze und das runde Gesicht wurden erst fassungslosblass, dann erkenntnispink und schließlich fuchsteufelswildtiefrot. Die Schicksalsfrauen beugten sich schützend über ihr Spiel und hielten die Figuren fest.
    »Anguana ist WO ?«, donnerte Dopoulos, dass die Gläser in den Regalen klirrten. Sein Stuhl fiel um, als er aufsprang. »Bei den TANUKIS ? Weißt du, was die Nymphen mit uns und der Taverne machen, wenn dem Mädchen irgendetwas passiert? Und du bist schuld daran, Tobbs!«
    An jedem anderen Tag wäre Tobbs eingeschüchtert gewesen, heute aber platzte ihm zum ersten Mal in Dopoulos’ Gegenwart so richtig der Kragen.
    »Schuld?«, brüllte er zurück und sprang ebenfalls auf. »Und du bist wohl unschuldig, was? Hättest du mir einmal in den dreizehn Jahren die Wahrheit gesagt, dann wäre es nicht so weit

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