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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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es war zu spät. Das Mädchen hatte bereits einen Stein vom Boden aufgehoben und schmetterte ihn mit voller Wucht gegen den Spiegel. Er prallte ab, ohne einen Kratzer zu hinterlassen.
    »Pech gehabt«, zischte Mamsie Matata beleidigt und verlosch.
    »He, langsam«, sagte Tobbs sanft. »Sie wollte dich nicht beleidigen. Ihr kennt euch doch noch gar nicht.«
    Anguana schluckte und blinzelte, Tränen der Wut standen in ihren Augen. Gekränkt kniff sie die Lippen zusammen. Nie hätte Tobbs ihr solchen Jähzorn zugetraut. Aber verstehen konnte er sie gut – und wie gut sogar! Er fühlte sich oft genauso elend, wenn sich jemand über ihn lustig machte. Verzweifelt suchte er nach Worten – und hatte plötzlich eine Idee. »Ich mag Ziegen«, sagte er. »Ich finde sie sehr hübsch. Und klug sind sie auch. Sie klettern sehr anmutig.«
    »Wirklich?«, fragte Anguana misstrauisch. »Keiner mag Ziegen.«
    »Ich schon!«
    Ganz langsam stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen und Tobbs hatte zum ersten Mal an diesem vertrackten Tag das Gefühl, sich wenigstens ein bisschen freuen zu können. Andererseits fragte er sich im selben Moment, ob er nicht etwas zu dick aufgetragen hatte, denn Anguana sah ihn nun an wie eine Nixe die Quelle.
    »Ich wusste gar nicht, dass du schwimmen kannst«, versuchte er das peinliche, bedeutungsvolle Schweigen zu überbrücken.
    Anguana lachte schüchtern. »Du rennst ja immer gleich weg, wenn ich mit dir sprechen will.« Verlegen räusperte sie sich und fuhr fort: »Ich wohne am Wasser. Wasser ist toll! Und dich mögen offensichtlich die Füchse hier ziemlich gern.«
    Das stimmte. Vier von ihnen saßen am anderen Ufer des Sees und beobachteten sie aufmerksam. Nur Tobbs’ grauer Fuchs lauschte angestrengt in den Wald. Im nächsten Moment ertönten ein Knall und ein lang gezogenes Gebrüll. Ein Raubtier musste ganz in der Nähe sein, aber auch Elfenrufe hallten durch den Wald. Die Füchse duckten sich, legten die Ohren an und schossen ins Unterholz davon. Tobbs klemmte sich den Spiegel unter den Arm. »Komm«, sagte er zu Anguana. »Immer dem Fuchs nach!«
    Mit klopfendem Herzen saßen sie wenig später gut versteckt unter einer Eibe. Tobbs fluchte im Stillen. Er wusste weder, wo sie sich inzwischen befanden, noch was im Wald tatsächlich vor sich ging.
    Im Geiste sah er Jamie, erschossen von einem Elfenpfeil. Nein, so etwas konnte nicht geschehen. Fairy Sam würde doch keinen Menschen töten. Oder doch?
    Tobbs blickte an der Eibe hoch. Sie war hoch – zu hoch, um bis ganz in die Baumspitze hinaufzuklettern und Ausschau zu halten. Die obersten Äste sahen zudem verdächtig dünn aus. Wenn er nur seine Schwebjacke noch hätte! Entmutigt klammerte er sich an den Spiegelrahmen und dachte nach. Der Spiegel – seine Hose … das war es!
    »Anguana!«, flüsterte er. »Leihst du mir das Lasso?«
    Das Ziegenmädchen sah verlegen weg, als Tobbs seine Hose auszog. Auch ihm war es peinlich, aber zum Glück reichte ihm sein Hemd bis fast zu den Knien.
    Ohne das Kleidungsstück mit den Schweb-Eichenstücken fühlten sich seine Beine plötzlich tonnenschwer an. Mamsie Matata murmelte etwas Unverständliches, als er die Hosenbeine um den Spiegel knotete. »Siehst du was?«, fragte er.
    Mamsie spähte über den Stoff und nickte. »Es kann losgehen, Junge!« Ihre Stimme klang heiser. »Und lass auf gar keinen Fall das Seil los, hörst du?«
    Tobbs ließ Anguanas blaues Seil behutsam durch die Finger gleiten. Wie ein Ballon stieg der Spiegel in die Höhe und wurde immer kleiner, bis er schließlich über den Baumspitzen schwebte und im Wind leicht hin und her schwankte. Was sich darin spiegelte, konnte Tobbs von unten aus nicht erkennen. Im Wind drehte Mamsies Spiegel sich langsam um seine eigene Achse. Die Sonne fing sich darin und ließ ihn blitzen. Tobbs fuhr der Schreck durch die Glieder. Warum hatte er nicht daran gedacht? Ein auffälligeres Zeichen hätte er den Elfen nicht geben können!
    »Hol den Spiegel wieder runter«, raunte ihm nun auch Anguana aufgeregt zu. So schnell er konnte, wickelte er das Lasso ein, zog Hand über Hand daran, bis Mamsie Matata direkt vor ihm schwebte. Sie seufzte erleichtert auf, als er sie von dem Stoff befreite und an den Baum lehnte.
    »Oje«, sagte sie nur. »Viel los. Jede Menge Leute sind unterwegs zu einem zerstörten Dorf – kommen aus verschiedenen Richtungen, sind aber alle bewaffnet. An der Küste, rechts von mir, plündern ein paar Kerle gerade ein Herrenhaus.

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