Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
alle Richtungen und krachten gegen die Wände und die Theke.
    Als Tobbs blinzelnd einen Blick zwischen seinen Ellbogen hindurch wagte, sah er gerade noch, wie direkt neben der Schanktheke ein in einen dicken Pelzmantel gehüllter Reiter ein weißes Pony zum Stehen brachte. Es tänzelte noch einmal auf der Stelle und kam endlich schnaubend zum Stehen.
    Der Reiter schwankte im Sattel. Die Pelzmütze war ihm fast bis über die Augen gerutscht; Wimpern und Bart bildeten einen Kranz von Eiszapfen. Ein gequälter Blick aus müden Augen fand Tobbs.
    »Iwan!«, krächzte der Reiter.
    Tobbs rappelte sich auf und spähte mit klopfendem Herzen auf den Flur: die Tür zum Land der Rusaner! Sie war gesplittert und aus den Angeln herausgebrochen. Und nun wehte aus dem winterlichen Land ein mittelschweres Schneetreiben in den Wirtsraum.
    »Iwan!«, keuchte der Fremde noch einmal. Dann entglitten die Zügel seinen eisverkrusteten Fäustlingen. Langsam wie ein kippendes Denkmal rutschte er zur Seite und stürzte mit dem Gesicht voran auf die Dielen. Dort blieb er reglos liegen – ein Haufen aus Pelzen und dickem Wollstoff. Und mitten aus diesem Haufen ragte wie ein Mahnmal … ein Pfeil! Ein roter Pfeil, verziert mit fremdartigen Zeichen aus Silber.
    »Ach du Schande!«, rief Mamsie Matata. »Dopoulooooos!«
    Tobbs stürzte zu dem Verletzten.
    Auf den Rücken drehen konnte er ihn wegen des Pfeils natürlich nicht, also kniete er sich neben den Mann und lockerte wenigstens den festgezurrten Schal. Dem Himmel sei Dank – der Reiter lebte noch. Aber er war in tiefe Bewusstlosigkeit gesunken. Seine Lippen waren dunkelblau.
    Schon ertönten polternde Schritte auf dem Flur. Dopoulos stürzte in den Raum. Auf seinen gebellten Befehl hin flammten alle Kerzen und Öllampen im Raum gleichzeitig auf. Das jähe Licht ließ Tobbs blinzeln und auch Mamsie Matata schirmte ihre Augen mit der Hand ab.
    Der Wirt erfasste die Situation mit einem einzigen Blick. »Tobbs! Hol Wanja! Beeil dich! Macht die Tür zu Rusanien wieder dicht!«
    Doch Tobbs war längst hochgeschossen und raste aus dem Raum. Beinahe wäre er über Neki gefallen. Im letzten Moment sprang er über die fauchende Katze auf den Flur … und schlitterte mit den Armen fuchtelnd auf Eis!
    Durch die Trümmer der Tür wehte ein eiskalter Wind. Schneeflocken schmolzen auf dem Dielenboden und froren augenblicklich zu einer spiegelnden Fläche. Jenseits der Tür erkannte Tobbs verschneite Hügel im Mondlicht, die in dichten Tannenwald übergingen, aber zum Glück war kein Verfolger zu sehen. Zumindest noch nicht.
    Tobbs gab Fersengeld. Wie ein Besessener rannte er durch das ganze Wirtshaus bis zur Hintertür.
    Wanja schlief nicht in der Taverne, sondern in einer Kammer unter dem Dach ihrer Schmiedewerkstatt. Tobbs fetzte über den Hof und hämmerte gegen das Tor der Schmiede. »He, Wanja!«, brüllte er. »Wanja! Tür-Alarm!«
    Erleichtert hörte er gleich darauf das Knarren der Leiter. Wanjas verschlafenes Gesicht erschien.
    »Welche Tür?«, fragte sie.
    »Rusanien«, sprudelte Tobbs hervor. »Ein verwundeter Reiter ist durch die Tür gebrochen – vielleicht wird er verfolgt.«
    Wanja fluchte derber als eine Elfe und stürmte an ihm vorbei zu einem Lagerschuppen neben der Werkstatt. »Die Tür! Ganz kaputt oder halb?«
    »Ganz!«, rief Tobbs. »Zertrümmert! Zu Sägemehl verarbeitet! Ein Loch in der Wand!«
    Gepolter erklang, dann kam Wanja auch schon im Laufschritt aus dem Schuppen – unter den rechten Arm hatte sie sich eine komplette Ersatztür geklemmt. Die Tür bestand aus stabiler Eiche, zwei Männer wären unter ihrem Gewicht zusammengesackt, aber Wanja war so stark, dass sogar Odins achtbeiniger Hengst es sich zweimal überlegte, ob er sich beim Beschlagen der Hufe mit ihr auf ein Kräftemessen einlassen sollte. In der linken Hand hielt Wanja ihren schweren Werkzeugkasten. Darin klapperten und rasselten Nägel, so lang wie Tobbs’ Unterarm.
    Gemeinsam rannten sie über den Hof zurück in die Taverne.
    »Wie kam er durch die Tür?«, rief Wanja, schon auf dem Flur. Dopoulos’ Stimme antwortete ihr aus dem Wirtsraum: »Das musst du mir sagen, Wanja. Du hast die Tür gezimmert.«
    Die Schmiedin verzichtete auf eine Erklärung und begann mit einem Hammer und einer kleinen Axt die Trümmer aus dem Rahmen der zerstörten Tür zu schlagen. In Windeseile bog sie mit einer Zange ein ramponiertes Scharnier wieder in Form und hängte die Ersatztür ein. Schließlich verrammelte sie

Weitere Kostenlose Bücher