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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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und das Zaumzeug lagen lieblos hingeworfen auf der Haferkiste. Heute Morgen war nicht viel Zeit geblieben, auch noch aufzuräumen.
    Anguana nickte zufrieden. »Wenigstens wirst du auf diesem Sattel nicht so sehr rutschen wie auf glattem Leder.« Sie nahm das Zaumzeug und begann die Riemen zu entwirren. Einige Minuten später war das Pony gesattelt und aufgezäumt.
    »Steig auf!«
    »Jetzt?«
    »Wann willst du es sonst lernen? Viel Zeit haben wir nicht. Wir drehen ein paar Runden im Apfelgarten hinter dem Stall. Der ist vom Wirtshaus und von der Schmiede aus nicht zu sehen.«
    Zögernd gehorchte Tobbs und trat zu dem fremden Tier. Jetzt bekam er es doch mit der Angst zu tun. Mit Dämonen und Todesfeen konnte er umgehen, aber Pferde kamen bei ihm gleich nach Klapperschlangen: Je weiter sie von ihm entfernt waren, desto besser fühlte er sich. Das Pony klappte ein Ohr nach hinten, blieb aber brav stehen, während Tobbs ungeschickt mit dem Fuß nach dem Steigbügel hangelte.
    »Zieh dich hoch!«, flüsterte Anguana. »Na los, auf geht’s, Cowboy!«
    Tobbs gehorchte, obwohl sein Herz raste und die Angst ihn würgte. Wieso nannte man das Tier Pony? Ein Riesenross war es, nein, schlimmer, ein Elefant. Der Boden schien ihm so weit entfernt, als würde er im ersten Stock aus dem Fenster schauen. Und noch stand das Tier – wie sollte er sich je im Galopp auf diesem wackligen Sattel halten? Vielleicht war es doch eine Schnapsidee, Wanja zu folgen.
    Anguana nahm die Zügel und schnalzte mit der Zunge. Das Pony setzte sich gehorsam in Bewegung und folgte ihr den Gang entlang. Tobbs hatte das Gefühl, auf einem rollenden Baumstamm zu sitzen. Er duckte sich tief über die struppige Ponymähne und schielte zu Rubin, aber das Pferd stand schmollend in der Ecke und warf nur einen sehnsüchtigen Blick auf Tobbs’ Knie, das in perfekter Beißhöhe an seiner Box vorbeischwebte. Sie passierten ungehindert die Tür und schon schlug ihnen der Geruch nach nassem Gras entgegen.
    Anguana lächelte zu ihm hoch. »Füße aus den Steigbügeln«, befahl sie. Tobbs beobachtete, wie sie die Riemen festzurrte und den Sattelgurt nachzog. Ganz zum Schluss löste sie ihren Seilgürtel, den sie selbst aus blauem Garn geknüpft hatte, und schlang ihn um Tobbs’ Hüfte. Mit wenigen Griffen war er am Sattelhorn und den Sattelblättern verzurrt und fühlte sich viel sicherer. »Der Gürtel wird dich halten«, erklärte Anguana. »Wenn du an dieser Schlaufe ziehst, öffnet er sich ganz leicht. Und jetzt zeige ich dir ein paar Gämsenreiter-Tricks.«

RUSANISCHE NÄCHTE
    Wie immer, wenn die Furien an der Tür Sturm klingelten, nahmen die anderen Gäste kommentarlos ihre Gläser und Teller und brachten sich vorübergehend in einem der zahlreichen Nebenzimmer in Sicherheit. Dopoulos schloss die Tür hinter ihnen und trat auf den Flur, wo Tobbs ihn schon erwartete. Der Wirt runzelte die Stirn.
    »Du bist so blass«, sagte er und legte Tobbs eine Hand auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Junge. Wanja weiß, was sie tut. Es wird ihr schon nichts passieren.«
    Tobbs nickte nur und bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Er mochte Dopoulos, aber im Augenblick hätte er den Wirt am liebsten zur Rede gestellt. Für wie naiv hielt er ihn eigentlich? Er beobachtete, wie der Wirt den passenden Schlüssel heraussuchte und den Furien öffnete.
    »Herein, meine Damen!«, sagte er in seinem munter-geschäftigen Gastgebertonfall. Eine Sekunde später war der Flur ein kochender Strudel aus Feuerzungen, Lichtblitzen und verwirrenden Farbspielen. Der Boden bebte und die Wände schienen sich zu dehnen und zu biegen, als wären sie aus Gummi. Es roch nach verkohlten Lavendelbüschen und Vulkanasche.
    Tobbs blinzelte und drückte den Krug mit Brennbeerensaft an sich. Heute tat es richtig weh, die Erschütterungen des Bodens auszubalancieren, denn seine Muskeln schmerzten noch von den Reitübungen. Schon jetzt spürte er, dass ein grässlicher Muskelkater folgen würde. Und dabei hatte das Abenteuer noch gar nicht begonnen.
    »Krötenwarzen und Schlangenasche, Feierabend für heute!«, rief die älteste der fünf Furien. »Auf unsere erfolgreiche Jagd!«
    Im Gegensatz zu den anderen trug sie kein Gewand aus Flammen, sondern eine schwarze Robe, die um ihren hageren Körper flatterte. Sie verlieh ihr Ähnlichkeit mit einem zusammengeklappten Regenschirm, auf dessen Spitze ein dreieckiges Gesicht mit lodernden Augen und einem blutroten Maul steckte. Eine

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